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Eigenvorsorge mit Haken

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Im Rahmen der Diskussion über die Pensionsre-form ist oft auch von einer Aufwertung der Eigenvorsorge die Rede. Der bekannte Wirtschaftspublizist Horst Knapp zeigt die Grenze zwischen utopischen und realistischen Erwartungen auf.

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Im Rahmen der Diskussion über die Pensionsre-form ist oft auch von einer Aufwertung der Eigenvorsorge die Rede. Der bekannte Wirtschaftspublizist Horst Knapp zeigt die Grenze zwischen utopischen und realistischen Erwartungen auf.

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Im Aufwind der Diskussion über eine Pensionsversiche-rungsreform geistert die „Eigenvorsorge" (Anm. d. Red.: FURCHE 9/1984) beharrlich durch die Medien.

Kein Zweifel, das Klima für eine — natürlich immer nur ergänzend gedachte - Eigenvorsorge insbesondere für den Ruhestand (und die Hinterbliebenen) hat sich verbessert, seit auch breitere Bevölkerungskreise allen wohlklingenden Pensionsgarantien

zum Trotz — durchaus begründete — Zweifel an der finanziellen Fähigkeit des Staates hegen, seine gesetzlichen Versprechungen zu erfüllen: Hätte noch vor wenigen Jahren die überwiegende Mehrheit der Österreicher die gesetzlichen Ansprüche an die Sozialversicherung für weitaus sicherer gehalten als die vertraglichen an eine Privatversicherung, könnte es mittlerweile schon umgekehrt sein.

Umso wichtiger ist es jedoch, in puncto Eigenvorsorge utopischen Erwartungen einen Riegel vorzuschieben und auf die Inkompatibilität einer verstärkten Förderung der Eigenvorsorge mit anderen Zielen (oft sogar derselben Institutionen) hinzuweisen.

Um mit diesem zweiten Punkt zu beginnen, sollte zumindest die Tatsache nicht mit diskretem* Stillschweigen übergangen werden, daß die Einführung weiterer Steuerbegünstigungen das strikte

Gegenteil des Zieles der Steuerreform ist, durch Abschaffung bestehender Begünstigungen Spielraum für eine Tarif Senkung zu gewinnen.

Zweitens steht die—gewiß wünschenswerte — steuerliche Begünstigung der Eigenvorsorge auch in Widerspruch zur Entlastung des Staatshaushaltes als zumindest vordergründigem Ziel der Pensionsreform:

Der Bundeszuschuß zur Pensionsversicherung der Unselbständigen (ohne Ausgleichszulagen, aber von Mindestrentnern ist wohl füglich keine Eigenvorsorge zu erwarten), wird sich heuer auf 21,6 Milliarden Schilling belaufen. In Relation zum Beitragsaufkommen (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) von 88,1 Milliarden Schilling sind das 24,5 Prozent, das heißt: je 100 Schilling an Pensionsversicherungsbeiträgen schießt der Staat 24,50 Schilling zu.

Im Vergleich dazu kostet jede alternative Eigenvorsorge mit Hilfe einer Sonderausgabenregelung (und mit einer fixen Prämie lockt man gerade die für eine Eigenvorsorge prädestinierten Besserverdiener nicht hinter dem Ofen hervor) Steuerausfälle im Ausmaß des jeweiligen Grenzsteuersatzes, und dieser liegt bereits ab einem Jahreseinkommen

von 50.000 Schilling (!) höher als der Prozentsatz des Bundeszuschusses; schon bei einem Durchschnittseinkommen käme der Arbeitnehmeranteil den Staat mit 45 Prozent der Eigenvorsorgeleistung zu stehen. (Mittelfristig würde sich allerdings diese Relation erheblich ändern, so es zu keiner durchgreifenden Pensionsreform käme: Der 1987 zu gewärtig 2nde Bundeszuschuß betrüge bereits 43 Prozent dessen, was an Beiträgen zu erwarten ist).

Weitaus grundsätzlicher ist aber der Zweifel an der Möglichkeit, auf ein nach dem Umlageprinzip gestaltetes System der Altersvorsorge noch ein zweites, nach dem Kapitaldeckungsprin-

zip organisiertes „aufzustocken". Anders ausgedrückt: Läßt ein Zwangssparen im Ausmaß von (bis zur Höchstbeitragsgrundla-ge) von rund 19 Prozent noch Platz für ein halbwegs ausreichendes freiwilliges Vorsorgesparen?

Nicht zufällig hat es geheißen: für ein halbwegs ausreichendes Vorsorgesparen. Wer als Mann mit 65 Jahren (geschweige denn als Frau mit 60 Jahren) in Pension geht, hat eine durchschnittliche Lebenserwartung von 13 Jahren. Der Barwert einer 14mal jährlich (Pensionsantritt Jänner, Zusatzpension im Juni und im Dezember) auszuzahlenden (Zusatz-) Pension von 5.000 Schilling, die jedes Jahr um fünf Prozent angehoben wird, beträgt unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von sechs Prozent immerhin stattliche 832.368 Schilling.

Soll dieser Betrag binnen 20 Jahren bei einer ebenfalls sechs-prozentigen Verzinsung angespart werden, bedarf es einer monatlichen Sparleistung von rund 1.780 Schilling oder — weiteren — gut zehn Prozent eines Durchschnittseinkommens, von dem dann allein für die Altersversorgung eine Gesamtsparquote von rund 30 Prozent abgezweigt werden müßte. All das spricht, wohlgemerkt, nicht gegen den Gedan-

ken der Eigenvorsorge. Es spricht aber sehr wohl gegen die — illusorische — Erwartung, daß die Förderung der Eigenvorsorge die gesetzliche Pensionsversicherung wesentlich entlasten könnte.

Gewiß sollten die Sonderausgaben-Obergrenzen für Lebensversicherungen aufgestockt werden, weil sie erstens seit Menschengedenken nicht valorisiert worden sind und weil zweitens mittlerweile eine Zusatz-Krankenversicherung soviel kostet, daß kaum noch Platz bleibt für die Geltendmachung von Lebens-versicherungsprämien.

Aber wenn wir auf dem Boden der Realität bleiben, wird sich wohl auch weiterhin die Eigenvorsorge für das Alter zum größten Teil auf die Bezieher von Einkommen beschränken, die über der Höchstbeitragsgrundlage für die Pensionsversicherung liegen; und eine kleine Chance auf Verwirklichung hätte vielleicht die Idee, diese Höchstbeitragsgrundlage auf dem heutigen Stand ein-. zufrieren (also im Laufe der Zeit real sinken zu lassen) und den darüber hinausgehenden Anteil der Aktivitätsbezüge hinsichtlich der Vorkehrungen für Ruhegenuß und Hinterbliebenenversorgung auf die Eigenvorsorge zu verweisen.

Der Beitrag zitiert (leicht gekürzt) einen Aufsatz in den vom Autor herausgegebenen JFinanznachrichten" vom 22. März 1984.

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