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Eilige Liberale

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Mit der Wahl von Ed Broadbent, 39, zum Führer der Soziaiistischen Partei Kanadas, rückt der junge Universitätsprofessor aus Ottawa in den Brennpunkt des Interesses. Premierminister Louis St. Laurent, der von 1948 bis 1957 die Geschicke der Nation lenkte, bezeichnete die Sozialisten als „Liberale, die es Pilig haben“. Vielleicht, weil viele der von den Sozialisten angeregten Reformen von den Liberalen verwirklicht wurden.

Obwohl die New Democrats (das ist seit einigen Jahren der Name der Sozialistischen Partei) in Ottawa von den Liberalen und Konservativen überschattet werden, ist ihre Bedeutung mitunter groß. Das war jüngstens — vor den Wahlen von 1974 — der Fall, als der liberale Premierminister Pierre Trudeau eine Minoritätsregierung führte, die auf das Wohlwollen der Sozialisten angewiesen war.

Ed Broadbent, der neue Parteiführer, macht die Wahlparole der Konr servativen, bei der Stimmabgabe des Vorjahres für das ungünstige Abschneiden der Sozialisten verantwortlich. Die Konservativen traten für eine Lohn- und Preiskontrolle ein. Um das zu verhindern — so Broadbent — stimmten viele Sozialisten für die Liberalen. Ziel der New Democrats ist- es,, bei den nächsten Wahlen 60 Mandate zu erobern, was ihnen ermöglichen sollte, als „Dritte Macht“ die Rolle des Züngleins an der Waage zu spielen.

Obwohl die Zahl der Sozialistischen Abgeordneten bei den Wahlen des Vorjahres von 31 auf 16 reduziert wurde, ist die Position der Partei — besonders im Westen — eindrucksvoll. Sie stellen sowohl :n British Columbia (Kanadas Kalifornien), wie auch in den Prärieprovinzen Manito-ba und Ssaskatchewan die Provinzregierung und auch ihre Stärke in der Kernprovinz Ontario ist beachtenswert. Bei den Franko-Kanadiern ist ihnen das Wahlglück versagt geblieben; kein einziger Abgeordneter von Quebec gehört der sozialistischen Fraktion an. Die atlantischen Provinzen entsandten nur einen Sozialisten nach Ottawa. Es war dies ein katholischer Priester aus Neuschottland — Andy Hogan — der einer Bergarbeiterfamilie entstammt.

Ein neuer Parteiführer der Sozialistischen Partei war notwendig geworden, da Ed Broadbents Vorgänger — David Lewis — bei den letzten Wahlen sein Mandat verloren hatte und wegen seines Alters keine neuerliche Kandidatur anstrebte. Interessanterweise ist sein Sohn Stephen, Führer der Partei in der Kernprovinz Ontario.

Ed Broadbent, der die „Autohaupt-stadt“ Oshawa, den Sitz der kanadischen General Motors Werke, im Parlament repräsentiert, ist Professor der Staatswissenschaften. Gelingt ihm bei den nächsten Wahlen ein bedeutender Mandatsgewinn, mag er zu einem der maßgebendsten Männer Kanadas werden. Heute schon gilt Ed Broadbent als einer der fähigsten Persönlichkeiten des Parlaments.

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