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Ein Abschied
Wer die Zeichen der Zeit zu deuten vermag, erkennt: es ist höchste Zeit, sich vom Auto zu trennen und diesem teuflischen Spielzeug der Moderne „Lebewohl" und „Auf Nimmerwiedersehen" zu sagen. Ich will diese meine Meinung gerne belegen und einige der Zeitzeichen anführen.
In der deutschen Großstadt X. sind bereits die ersten Innenstadtparkuhren auf DM 10 - (Einwurf: zweimal DM 5,-) umgestellt worden. Zehn Deutsche Mark!... in Worten: zehn!... Und das nur, um dafür sein Auto eine Stunde unter freiem Himmel abstellen zu dürfen! Ein etwas ausgedehnter Einkaufsbummel oder ein Zahnarztbesuch summieren sich da locker auf 20 bis 30 Mark allein an Parkierungsko sten.
In einer anderen Großstadt: ein Typ, der von der Polizei für einen abartig veranlagten Triebtäter gehalten wurde, entpuppt sich als raffinierter, wenngleich harmloser Parkberechti-gungserschleicher. Herr N. (42) war einer Zivilstreife aufgefallen, weil er mit blonder Langhaarperücke und High Heels betont unauffällig durch ein Innenstadtparkhaus stöckelte. Des Rätsels Lösung: HerrN. hatte sich als Dame getarnt, um auf diese Weise an einen der wenigen freien und „Nur für Frauen" reservierten Sicherheitsparkplätze zu kommen.
Ein weiteres signifikantes Zeichen dafür, daß wir uns - was das Auto betrifft - in einer Endzeit befinden: ein moderner Eisenbahnzug fährt durch die schöne Voralpenlandschaft. Einige Waggons sind mit urlaubsfrohen Menschen besetzt, dahinter eine Anzahl von Spezialwaggons, die nur dazu dienen, die Autos der vorne sitzenden Urlauber zu befördern. Das muß man sich einmal vorstellen: da kauft sich jemand ein Auto -ursprünglich doch wohl, um sich damit unabhängig von Schiene und Fahrplan bewegen zu können - und wie endet das Ganze? Der Mann sitzt im Zug, hat für sich und seine Familie teure Fahrkarten gelöst und obendrein eine noch teurere, nur um seinen Wagen im selben Zug mitreisen zu lassen! Auf dem Weg von daheim zum nächstgelegenen Verladebahnhof war er in einen Autobahnstau und zwei Innenstadtverkehrsinfarkte geraten, mußte eineinhalb Stunden mit dem Verladen des Fahrzeuges vertrödeln und weiß natürlich genau, daß ihm der ganze Terror bei der Heimkehr aus den Ferien in umgekehrter Folge noch einmal bevorsteht.
Haben Sie noch nicht genug? Gut, dann noch ein paar weitere Silben des zeitgeistigen Menetekels.
Ich zitiere eine Pressemeldung, derzufolge es Zeitgenossen gibt, die sind „süchtig nach Stau"! Ähnliches wurde zuletzt aus dem Mittelalter gemeldet; da gab es auch Mitmenschen, die freuten sich angeblich über den Ausbruch der Pest.
Hier eine bezeichnende Anzeige aus einem „City-Magazin": „Achtung, geh- od. körperbehin. Oma/Opa mit Führersch. Kl. 3 stdwse. werktags, ges." Worum es dabei ging? Da wollte sich einer auf vermeintlich clevere Weise eine „Verweilberechtigung für Behindertenparkplätze" erschwindeln.
Meneh meneh telek u pharsin!
Das Auto, mit dem man eigentlich schnell und bequem ins Büro zu kommen dachte, zwingt heute seinen Besitzer mindestens eineinhalb Stunden früher aufzustehen als zu Fußgängerzeiten, da sonst kein Tagesparkplatz in der City zu besetzen ist, der sich in halbwegs akzeptabler Entfernung vom Arbeitsplatz (bis zu 20 Minuten Fußweg vom Auto zum Schreibtisch werden hingenommen!) befindet. Ursprüngliche Gehzeit von daheim ins Büro: auch 20 Minuten. Aber da man das Auto nun schon mal hat...! Ein anderer Fall: ein Verzweifelter kauft sich - obschon Besitzer eines Eigenheims im Grünen oder vielmehr gerade deshalb - eine kleine Eigentumswohnung in vielbefahrener und abgasgesättigter Innenstadtlage, nur um für die werktäglichen Stadtaufenthalte eine Anwohnerparkerlaubnis zu ergattern.
Und derartige Beispiele und Meldungen gibt es noch und noch. Verschließen wir nicht länger die Augen! Verabschieden wir uns vom Automobil, das doch längst, hätten die Leute nur ein wenig mehr Sprachsensibilität, Auto-immobil heißen müßte. Ich habe für mich die Konsequenzen gezogen und meinen Wagen stillgelegt.
So, jetzt muß ich mich aber sputen und mit dieser Geschichte zu Rande kommen. Ich habe unten vor der Redaktion mein Pferd an eine Parkuhrfestgebunden und weiß aus Erfahrung: nach rund einer halben Stunde wird der Gaul nervös!
Also, bis demnächst wieder einmal, und denken Sie bitte daran, wenn Sie im Stau stehen und ich zügig an Ihnen vorbeitrabe: hupen Sie nicht! Mein Pferd ist schreckhaft und tritt gerne nach hupenden Autos!
PS: Bis jetzt hat es übrigens noch keine Politesse gewagt, meinem Vollblüter - in seinem Stall zurecht als frecher Beißer berüchtigt-einen Strafzettel hinters Zaumzeug zu klemmen. Ich hoffe, das bleibt so.
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