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Ein Abschub auf den ersten Blick

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Das „Schlepperunwesen" will man eindämmen. In ei­nem Aufwaschen wird auch das Paß- und Fremdenpoli­zeigesetz verschärft. Mit „Gummiparagraphen", die zur Willkür verleiten?

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Das „Schlepperunwesen" will man eindämmen. In ei­nem Aufwaschen wird auch das Paß- und Fremdenpoli­zeigesetz verschärft. Mit „Gummiparagraphen", die zur Willkür verleiten?

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Wer türkischer Staatsbürger ist und nach Österreich einreisen will, braucht jetzt ein Visum. Innenmi­nister Franz Löschnak hat bei der Einführung der Visumpflicht Ge­setzesänderungen angekündigt, die das „Schlepperunwesen" eindäm­men sollen. Schlepperei, die ge­werbsmäßige Hilfe zum illegalen Grenzübertritt, soll künftig mit drei Jahren Haft bestraft werden.

Außerdem soll das Paßgesetz und das Fremdenpolizeigesetz geändert werden. Während die Öffentlich­keit ihre Aufmerksamkeit auf die künftig strafrechtliche Verfolgung der „Schlepper" richtet, sollen mit einem Schlag neue gesetzliche Be­stimmungen beschlossen werden, die mit der Bekämpfung dieser skrupellosen Geschäftemacher al­lerdings nichts zu tun haben.

Das könnte entweder am 28. Fe­bruar oder am 1. März im National­rat geschehen, falls ein Initiativan­trag der Koalitionsparteien ange­nommen wird, mit dem das öster­reichische Fremdenrecht erheblich verschärft werden soll. Ein entspre­chender Gesetzesantrag von SPÖ-und ÖVP-Abgeordneten ist bis ins Detail ausgearbeitet. Die wichtig­sten Änderungen:

• Durch Paßkontrollen soll auch der Zugang zu Transiträumen über­wacht werden. Bisher galten Tran­siträume als „Paßausland". In den Erläuterungen zum Gesetzestext wird dies damit begründet, daß mit „spektakulären Aktionen" die Ein­reise nach Österreich erzwungen worden sei.

• Kontrollierende Grenzbeamte sollen verstärkt die Möglichkeit er­halten, Fremde an der Grenze zu­rückzuweisen. Erscheint dem Be­amten die Wiederausreise eines Fremden nicht gesichert, kann er ihn zur „unverzüglichen Abreise auffordern" Gegebenenfalls kann er auch das Verlassen des Flugzeu­ges untersagen.

Zählt der Teint?

• An der Grenze sollen Fremde nachweisen können, daß ihre fi­nanziellen Mittel für die Dauer ihres Österreich-Aufenthaltes ausrei­chen. Fehlt dieser Nachweis, droht sofortige Zurückweisung.

• Hat der Grenzbeamte den Ein­druck, daß der Einreisende die „öffentliche Ruhe, Ordnung und Si­cherheit" gefährden könnte, soll die Behörde ebenfalls ein Einreisever­bot erteilen können.

• Fremde sollen ab sofort einer Ausweispflicht unterliegen. In Zu­kunft soll jeder Fremde dazu ver­pflichtet sein, „den österreichischen Behörden die für ihre Aufenthalts­berechtigung maßgeblichen Doku­mente vorzuweisen". Wer dazu nicht in der Lage ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und kann in Haft genommen werden, wenn er nicht bereit ist, sich „in Begleitung eines Organes an jene Stelle zu begeben, an der die Dokumente verwahrt sind".

Nur Ausländer unterliegen der Ausweispflicht. Doch anhand wel­cher Kriterien soll ein Polizist er­kennen, ob er es mit einem Frem­den zu tun hat, wenn er eine Person zur Ausweisleistung auffordert? Am dunklen Teint? Am orientalisch gebundenen Kopftuch?

Die neuen Bestimmungen haben eines gemeinsam: Ihre praktische Durchführung würde subjektiv von einzelnen Beamten vollzogen, de­ren Entscheidungen schwer zu kontrollieren wären. Wird der Initiativantrag in der vorgelegten Fassung vom National­rat beschlossen, drohen „Gummi­paragraphen" , die der Willkür frei­en Lauf lassen könnten. Exekutiert werden sollen diese Bestimmungen ja nach „Indizien". Im Schnellverfahren werden Beamte anhand von Äußerlichkeiten festzustellen ha­ben, wer als Asylwerber in Frage kommt und wer nicht. Im er­läuternden Text zu dem geplanten Gesetz heißt es wörtlich: „Ergibt sich nun bei dieser Grenzkontrolle ein gewichtiges Indiz dafür, daß der Fremde nicht bloß einen Tran­sitaufenthalt, sondern den Aufent­halt im Bundesgebiet als solchem anstrebt, so kann ihn das Grenz­kontrollorgan auffordern, unver­züglich auszureisen".

Verstöße gegen die Genfer Flücht­lings-Konvention wären nicht aus­zuschließen, wenn ein möglicher Asylantrag schon an der Grenze leicht abgeblockt werden kann.

Denn im Airport-Transitraum gibt es keine Berufungsinstanz. Das Flugzeug, das auch einen poten­tiellen Asylwerber postwendend zurückschickt, startet - unter Aus­schluß der Öffentlichkeit.

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