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Ein äußerst düsterer Italo-Krimi

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In Italien sind fast tausend Prominente in den Verdacht der Geheimbündelei, verknüpft mit Spionage- und Finanzdelikten, geraten. Die Regierungskoalition unter Führung A maldo Forlanis hat dadurch ein vorschnelles Ende erreicht.

Schon vor Monaten hatte der christdemokratische Parteichef Flaminio Piccoli von einer „internationalen Freimaurerverschwörung“ geredet und sich deshalb den Vorwurf des Gespensterglaubens zugezogen.

Jetzt versicherte er diplomatisch, dabei nur an eine weltweite „koordinierte Attacke gegen christliche Kulturideale“ gedacht zu haben, nicht jedoch an die legale Freimaurerei; diese haben durchaus ihren, wenn auch mit Katholizismus und christlicher Demokratie unvereinbaren Platz in Italiens Geschichte. Auch dürfe man „Entartungen“, wie sie mit der Geheimloge „P 2“ aufgedeckt und gerichtlich untersucht werdert, nicht zur Ehrabschneidung führender Männer benutzen.

Gleichwohl sind eben solche in die Affäre verwickelt, die von einer polizeilichen Durchsuchung der Villa des Lico Gelli, eines toscanischen Matratzenfabrikanten, Handelsrates der Argentinischen Botschaft und Vertrauensmann des rumänischen Staatschefs Nicolae Ceausescu ihren Ausgang nahm.

Dieser Großmeister der Loge „P 2“, den manche eher für einen neuen Typ von Mafiaboß oder auch für einen gewöhnlichen Hochstapler halten, ist längst ins Ausland geflüchtet. Dabei hinterließ er, unvorsichtig oder absichtlich, Listen von wirklichen oder erwünschten Mitgliedern seiner Loge.

Da finden sich Namen-von immerhin 55 Parlamentariern, deren politische Farbe vom sozialdemokratischen Parteichef über den christdemokratischen Staatssekretär bis zum neofaschistischen Ex-Admiral reicht; 17 Armeegeneräle, darunter der Generalstabschef, sind als eingeschworene „Brüder“ ge nannt und über hundert Spitzenleute von Industriefinanz, wie etwa der Bankpräsident Roberto Calvi (der mit sechs anderen Bankiers wegen illegaler Devisentransaktionen verhaftet wurde); nicht zuletzt tauchen drei Mitglieder des Kabinetts Forlani in der brisanten Liste auf: Justizminister Adolfo Sarti und Arbeitsminister Foschi, beide Christdemokraten, sowie der sozialistische Außenhandelsminister Manca.

Natürlich hagelte es - wie übrigens auch die Logenregel vorschreibt - Dementis der Betroffenen, auch von Minister Sarti, der dennoch als erster seinen Rücktritt erklärte.

Wahrscheinlich hätte Ministerpräsident Forlani noch länger mit der Publikation der Namensliste gezögert, wenn zum ideologisch schiefen Licht und zum Verdacht geheimer Verschwörung nicht noch ein ebenso handfestes skandalträchtiges Indiz gekommen wäre: In der Gelli-Villa fanden sich auch Photokopien von innenpolitischen Personaldossiers, die Anfang der siebziger Jahre der Geheimdienstgeneral De Lorenzo etwas außerhalb der Legalität hatte an fertigen lassen und die damals einen großen Skandal provoziert hatten.

Die Papiere, immerhin 33.000 Aktenordner, waren 1974 durch Paria-1 mentsbeschluß und unter Aufsicht von Abgeordneten in der Verbrennungsanlage des römischen Flughafens geradezu feierlich aus der Welt geschafft worden.

Der Mann aber, der mit dieser Vernichtungsaktion beauftragt war, der Oberst Antonio Viezzer, gehört ebenso zu den Mitgliedern der Loge „P 2“ wie der Verleger eines Skandalblattes, das seit langem schon behauptet hatte, Kopien der ominösen Dossiers seien zu erpresserischen Zwecken erhalten geblieben. Dieser „Bruder“ ist unter mysteriösen Umständen ermordet worden.

Was und wieviel Politisches hinter diesem t'rüben Krimi steckt, wird nur schwer, vielleicht nie zu klären sein. Nicht nur der kommunistischen Opposition bietet sich jedenfalls wieder einmal Gelegenheit, sich als „moralische Alternative“ zu präsentieren; auch die sozialistischen Koalitionspartner der Christdemokraten, obschon selbst mitbetroffen, spüren die Versuchung, die christdemokratischen Peinlichkeiten zu nutzen.

Parteichef Bettino Craxi ist allem Anschein nach nicht bereit, ein weiteres von Forlani geführtes Kabinett zu unterstützen, sondern hält die Stunde für gekommen, selbst das Amt des Regierungschefs als Preis für eine neue Koalition zu fordern. Ob ihn die Democra- zia Cristiana zahlen kann und will, war Anfang der Woche äußerst zweifelhaft. Vorzeitige Neuwahlen, von niemandem gewünscht, könnten wieder unvermeidlich werden.

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