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Ein Ansatz zur Öffnung

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Vor der Friedensdemonstration im Oktober 1983 gab es Streit und Vorwürfe: von Einäugigkeit, Volksfront und Spaltung war die Rede. Wie geht es in Zukunft weiter?

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Vor der Friedensdemonstration im Oktober 1983 gab es Streit und Vorwürfe: von Einäugigkeit, Volksfront und Spaltung war die Rede. Wie geht es in Zukunft weiter?

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Das am 28. und 29. Jänner in Salzburg tagende Friedensplenum konnte sich zwar noch nicht auf einen umfassenden Friedensbegriff einigen, aber durch die Aufnahme der österreichischen Gewerkschaftsjugend und der Jungen Volkspartei in den Koordinationsausschuß und durch einige weitere positive Abstimmungen wurde die österreichische Friedensbewegung offener und umfassender.

Standen bisher aus Aktualitätsgründen immer die Verhandlungen im Zusammenhang mit dem NATO-Nachrüstungsbeschluß im Vordergrund, so wurden diesmal in elf Arbeitskreisen Grundsatzfragen diskutiert.

Die Themen der Arbeitskreise waren breit gefächert: Frauen und Friedensbewegung, Gewerkschafter und Friedensbewegung, Christen und Friedensbewegung, Senioren und Friedensbewegung, Eurostrategische Fragen, Friedensbewegung und Antiimperia-lismus, Umrüstung, Zivildienst, Bundesheer und Innenpolitik, Zivilschutz.

Die Diskussionen in diesen Arbeitsgruppen wurden durch Thesenpapiere vorbereitet, die Einzelpersonen oder Gruppen, angeregt durch den Koordinationsausschuß, erarbeitet hatten. Die Gespräche waren sehr intensiv und boten zum ersten Mal die Gelegenheit einer inhaltlichen Auseinandersetzung, die die verschiedenen Ansätze und Ausgangspunkte, die es in der Friedensbewegung gibt, aufzeigte.

Selbstverständlich haben diese ersten Überlegungen noch nicht die Einigung in allen Bereichen gebracht. Durch diese breite inhaltliche Diskussion ist die Friedensbewegung aber auf dem Weg, von einer Anti-Raketen-Bewegung zu einer umfassenden Friedensbewegung zu werden. Sie steht damit aber auch vor einer großen Bewährungsprobe.

Gegen Raketen, auch wenn leider zu oft nur US-Raketen gemeint waren, oder gegen die NA-TO-Nachrüstung war es relativ einfach, aufzutreten, zu mobilisieren. Viel schwerer wird es aber bei Fragen des Nord-Süd-Konfliktes, bei Waffenexporten oder bei der Diskussion um die Durchsetzung der Menschenrechte.

Ziel muß es sein, die Angst vor dem drohenden Atomkrieg und die damit verbundene Bereitschaft zum Engagement in ein positives Engagement für die Bewältigung der Probleme auszuweiten, die wir alle, ganz gleich in welchem Land wir leben, zu lösen haben.

Atomwaffen sind der Ruin der Menschheit; alle kriegerischen Auseinandersetzungen, alle gewaltsamen Konfliktlösungen sind bis aufs letzte zu verurteilen. Nichts widerspricht dem Streben nach Frieden mehr als das Denken und Handeln in den Kategorien der Stärke.

Und hier gilt es, den Unfrieden an den Wurzeln zu packen. Nur radikale Umkehr gibt der Menschheit eine Chance des Uberlebens. Zur derzeitigen Bedrohung gibt es nur eine Alternative, und zwar die totale Absage an alle Formen der Gewalt.

Durch das Eintreten der Katholischen Jugend, die auch eine Diskussion und Arbeit auf Grund des umfassenden Friedensbegriffes möchte, ist die Junge Volkspartei in Person ihres steirischen Landesobmannes Reinhold Lopatka und die Gewerkschaftsjugend mit ihrem Obmann Friedrich Sviha-lek in den Koordinationsausschuß gewählt worden. Diese beiden gesellschaftlichen Blickwinkel in der Friedensdiskussion hatten bisher keinen Repräsentanten im Gremium, das aus Vertretern der Länder, der Sozialistischen Jugend, der Kommunistischen Partei, der Alternativen Liste, der Arbeitsgemeinschaft katholischer Jugend, der Frauen für den Frieden und der Arbeitsgemeinschaft Zivildienst gebildet wurde.

Die Öffnung im Koordinationsausschuß ist sicherlich ein positives Zeichen. Diese Entwicklung in der Friedensbewegung wird allen, die Resignation und Auflösung erwartet haben, die Gegenargumentation in Zukunft erschweren. Kritiker, die ohne inhaltliche Auseinandersetzung alle Friedensbemühungen und jeden Friedensaktivisten in Frage gestellt haben, werden angesichts der bedrohlichen Situation früher oder später erkennen, daß die Friedensbewegung ernstzunehmen ist.

Erst wenn alle einsehen, daß Frieden und Gewaltverzicht nicht irgendeine beliebige Politik sind, sondern den Einsatz jedes einzelnen Menschen verlangen, haben wir den Auftrag begriffen. Frieden ist kein Schicksal, sondern unser Auftrag, so wie der Krieg unser Versagen ist. Dem ersten positiven Ansatz zur Öffnung in- t nerhalb der Friedensbewegung müssen weitere Schritte folgen, damit künftig alle ihre Diskussionen und Aktivitäten ernstgenommen werden.

Der Autor ist Vorsitzender des Osterreichischen Bundesjugendringes.

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