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Ein Bauherr großen Stils
Salzburg reduziert sich zur Zeit mit seiner Landesausstellung „Fürsterzbjschof Wolf Dietrich von Raitenau, Gründer des barok- ken Salzburg“ sehr genau auf seine historische Rolle als Keil zwischen den bayerischen Wittelsbachern und den österreichischen Habsburgern, als souveräne europäische Großmacht um 1600. Fürsterzbischof Wolf Dietrich war an den Ausmaßen Roms geschult, kannte Fontanas römische Stadtplanung und ging im ihm heute zu dankenden „deutschen Rom“ wenig zimperlich mit Altbauten um, er war ungeduldig mit sich und anderen - er ist nun Anlaß und Leitmotiv anläßlich des 400. Jahrestags seines Regierungsantritts am 19. Oktober, um Salzburg wieder einmal in den Mittelpunkt zu rücken.
In der Stadt fragte allerdings zunächst niemand nach diesem Wolf Dietrich — der landläufig durch seine sechzehn Kinder mit der schönen Bürgerstochter Salome Alt bekannt ist -, sondern nur, warum die für die Ausstellung werbende und offensichtlich auch organisatorisch notwendige „Saugtreppe“ vom Residenzplatz in den ersten Stock des sogenannten Neugebäudes mit dem Glok- kenspielturm an die zwei Millionen Schilling kosten mußte. Fast scheint es, als machte diese Treppe mehr Effekt als die Ausstellung selbst, die, zweigeteilt, im aufwendig renovierten Residenz- Neugebäude und im Dommuseum stattfindet.
Was sie im historisch-künstlerischen Teil bietet, ist eher bescheiden, kaum publikumswirksam. Aus dem Palazzo Pitti von Florenz hat man zwar kostbares Geschirr und Tischzierat entlehnt, beispielsweise den berühmten Nautilus-Pokal, wie auch liturgische Geräte, doch hat wissenschaftliche Detailfreudigkeit den großen Duktus des Lebens und Wirkens dieses geistlichen Machiavellisten, eines Freundes und Förderers der Künste, wie mit Schutt überlagert.
Mühsam hat man, und das offensichtlich noch in ungebührlich unwissenschaftlicher Eile, manches an Kunstgegenständen in Europa dem Salzburger fürsterzbischöflichen Hof zu Beginn des
17. Jahrhunderts noch zuschreiben können, was bisher ungesichert schien — mit Ausnahme der Schätze im Palazzo Pitti. Diese stammen — wie Kurt Rossacher in den sechziger Jahren eindeutig nachweisen konnte—aus dem Besitz von Erzherzog Ferdinand III. von Toskana und wurden zunächst nach Würzburg und dann nach Florenz verschleppt.
Dennoch: wenn in einem Katalog mit 560 Seiten alle möglichen Detailprobleme angegangen werden (samt unziemlich vielen Druckfehlern und unterlassenen Korrekturen) und dann eine umfassende Darstellung des Lebens des Raitenauers fehlt, wenn alle Verwandtschaftsfragen, alle Probleme der Regierung und der Leitung der Diözese abgehandelt werden, dann fragt man sich, warum diese Zusammenfassung unterblieben ist.
Denn der Besucher dieser strek- kenweise allzu dilettantisch konzipierten Ausstellung, die erfreulicherweise im Dommuseum ihren kompakteren und entschieden informativeren Teil aufweist, will auf einen Blick wissen, wer denn dieser Fürsterzbischof Wolf Dietrich war, woher er kam, was er tat, was er konnte, warum er schließlich auf der Festung starb.
Mühsam muß man sich zu Hause aus dem drei Zentimeter dicken Katalog filtern, daß dieser absolutistische Herrscher mit Mediceerblut auch ein wohltätiger und sozialer Mann, ein gerechter Herr seiner Soldaten gewesen ist, ein Mensch, der sich bei den Financiers seines römischen Studiums sehr wohl mit einem Kelch und einer Meßkännchengarnitur edelster Ausführung bedankte, der von seinen Brüdern unverschämt aüsgenützt wurde, der vor allem Sienenser Künstlern den Vorzug gab - was seinem Sekretär Ago- stino Tondi aus Siena zu danken war —, aber auf dem Gebiet der Goldschmiedearbeiten und Malerei den Künstlern nördlich der Alpen, etwa Hans Karl, den Vorzug gab, da er hifcr als Reichsfürst agierte.
Der Sturz dieses sicherlich aufbrausenden und unbändigen, aber auch noblen, eleganten, wenn auch nicht schönen Mannes, und, was den Vollzug der Beschlüsse des Konzils von Trient anging, romtreuen Vorreiters der Synode, ging von wirtschaftlichen Zwistigkeiten über den Salzhandel mit Maximilian I. von Bayern aus. Nicht Salome Alt,
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