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Ein Beispiel für Kärnten...

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„Großer Gott wir loben dich, Herr wir preisen deine Stärke...“ Zögernd hatte der Lobgesang begonnen, klar und mächtig endete er. Er war nicht geplant gewesen. Vielleicht wurde das Lied in zwei Sprachen gesungen, ich habe nur eine gehört: die Sprache des Dankes, der Zuversicht, des Mutes und des Vertrauens. Ein großes Werk ist zu einem guten Ende geführt worden. An der Stirnseite des Klagenfurter Konzerthaussaales war in zwei Sprachen, in Deutsch und Slowenisch, zu lesen: „Kirche für die Welt.“ Unter dieses Wort hatte sich die Kärntner Diözesansynode gestellt. Und hier war ein Werk der Kirche für die Welt, für die kleine Kärntner Welt getan worden. Die Vorlage über „Das Zusammenleben der Deutschen und Slowenen in der Kirche Kärntens“ war ohne Gegenstimme angenommen worden. Die Kirche Kärntens hat ein Beispiel für das Land gegeben.

Die Stimme des Bischofs hatte vor Bewegung gezittert, als er der Synode dankte für die Offenheit, mit der sie die Sprachenfrage, die durch Jahrzehnte die große Sorge der Kirche war, behandelte und zu einem guten Ende führte. Er wolle darin das Wirken des Heiligen Geistes sehen, sagte der Bischof. Die Arbeit aber beginne erst. Der Geist des Friedens, der Eintracht, der Versöhnung, des Verstehens und der Zusammenarbeit müsse erst ins Land getragen werden. Der Bischof hatte auch einige Worte Slowenisch in seine Rede eingeflochten.

Vorher hatte der Sprecher der slowenischen Synodalen seinen deutschsprachigen Mitbrüdern gedankt für die faire Art, mit der hier auf der Synode um Friede und Eintracht gerungen wurde. Auch er hatte deutsch gesprochen und mit einem slowenischen Satz geendet. Ihm antwortete einer der Wortführer der Deutschen. Auch seine Stimme war bewegt, als er die loyale Mitarbeit und die Verständnisbereitschaft der Slowenen bezeugte. Und dann war ein anderer spontan aufgestanden und hatte gesagt, wir sollten Gott danken, daß er uns diese große Stunde erleben ließ, danken mit dem Lobgesang Gottes. Und er hatte angestimmt und alle fielen ein: „Großer Gott wir loben dich, Herr wir preisen deine Stärke ...“

Dabei hatte es nicht immer so ausaesehen. als ob dieses Werk der

Versöhnung zwischen den beiden Völkern in der Kirche Kärntens zu einem guten Ende, ja überhaupt zu einem Ende kommen sollte. Die Session der Synode, die diese Vorlage behandeln sollte, war in eine Zeit gefallen, in der die nationalen Spannungen in Kärnten durch den Streit um die Ortstafeln neu aufgeflammt war. Konnte unter einer solchen Stimmung, mit solchen Emotionen, diese Vorlage, die von einer gemischt deutsch-slowenischen Kommission ausgearbeitet worden war, in Ruhe und Sachlichkeit behandelt werden? Ein Antrag, Debatte und Beschlußfassung über dieses Problem auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, war jedoch mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Die Synode wollte sich dieser Frage stellen. Zwei halbe Tage wurde klar, offen, ohne jede Beschönigung, aber auch ohne Emotion diskutiert. Fast schien es, als ob es am Schluß doch noch eine Schwierigkeit geben würde. Einem Abänderungsantrag, der die Schaffung eines Schiedsgerichtsverfahrens vorsah, wollten die Slowenen nicht zustimmen. Setzen wir uns zehnmal, ja lieber hundertmal zusammen, sagte der slowenische Wortführer, und versuchen wir, zu einer Einigung zu kommen, meinte er, bevor wir vorschnell einen verpflichtenden Schiedsspruch fällen, der die Minderheit immer stärker treffen müßte als die Mehrheit. Aber auch hier siegte der Geist der Versöhnung. Dia Synode beauftragte die beiden Referenten, Dr. Waldstein für die deutsche und Dr. Inzko für die slowenische Volksgruppe, eine gemeinsame Formulierung zu finden. Und sie war dann auch nach einigen Stunden gefunden worden. Bei der endgültigen Verabschiedung erhob sich keine Gegenstimme.

Ein großes Werk war beendet. Beendet? Nein, es hatte erst begonnen.

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