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Ein Bild zu korrigieren

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Das Mozart-Jahr hat begonnen. Mozart-Feste in Wien, Salzburg und in allen Musikzentren der Welt jagen einander, Dutzende Symposien und Kongresse versuchen, letzte Grauzonen und Legendenbildungen im Leben Mozarts aufzuspüren. Die Musikwissenschaft hat Details zutage gefördert, die für unser Mozart-Bild wenn schon nicht kühne Korrekturen, so doch wenigstens kleine Richtigstellungen bringen.

Eine wichtige solche bringt die Ausstellung „Zaubertöne", was in den Kritiken kaum zur Kenntnis genommen wurde. Für die „Zaubertöne" hat das Historische Museum der Stadt Wien Mozarts Bibliothek nach einem Originalverzeichnis rekonstruiert. Museumschef Günther Düriegl weist darauf hin, daß dieser Blick in Mozarts Lektüre auf viele Zusammenhänge zwischen Literatur und Mozart-Werken weist. Denn da finden sich wesentliche Freimaurerbücher ebenso wie Dokumente über Magnetismus, aufklärerische politische Schriften wie die modische Literatur der Zeit. „Anregungen und Inspirationsquellen für den hellwachen, für alles offenen Geist Mozart in Hülle und Fülle", bestätigt Düriegl.

Aber man hat auch Dokumente gefunden, die tradierte „Fehler" der Mozart-Forschung korrigierten. So entdeckte man im Archiv der Wiener Michaeierkirche eine Rechnung, die von Mozarts Witwe Kon-

stanze bezahlt wurde: Die Quittung für jene Totenmesse, die Konstanze für Mozart hier in der Michaeler-kirche - und nicht wie früher angenommen in St. Stephan - lesen ließ.

Aufgeräumt wird heute auch mit der Legende von Mozarts Sterben „in schlimmster Armut" und seiner Beisetzung in einem Massengrab. „Eines stimmt", bestätigt Düriegl,

„der Fußtritt der höfischen Welt, vom Salzburger Kämmerer Graf Arco, holt den Musikus Mozart bei seinem Tod in Wien sozusagen wieder ein: Denn da wird nicht das Genie sondern der nicht standesgemäße ,Musik-Domestik' in strenger Schlichtheit begraben. Aber von einem Armenbegräbnis kann keine Rede sein. Es war ein Freimaurer-Begräbnis, wie es der Mozart-Freund Baron van Swieten empfohlen hatte und wie es den strengen Vorschriften der josefinischen Aufklärung entsprach!"

Gerade Mozarts „Armut" ist nun auch unter die Lupe genommen und als fragwürdig bestätigt worden. Wieso hatte Mozart mit seinem „buchhalterischen Blick" und seinen nicht geringen Einkünften unentwegt finanzielle Schwierigkeiten? Als er 1781 ins „gelobte Klavierland" Wien kam, überrundete er seine berühmten Kollegen (Klavier-)spielend an Einnahmen.

Für eine Klavierstunde kassierte er zwischen zwei und drei Gulden, also zehnmal mehr als sein erfolgreicher Vater als Geigenlehrer. Als Ertrag jeder seiner Virtuosengalas gibt er selbst zirka 1.000 Gulden an. Ja, Historiker errechneten, daß Mozart (auf heutige Verhältnisse umgerechnet) etwa 1,7 Millionen Jahreseinkommen hatte. Aber warum bettelte er dann seinen Freimaurer-Bruder Johann Michael Puchberg ständig um Geld an?

Mozart spricht bewegend von „Affären", „Ungelegenheiten" und „bewußten Sachen". Man nimmt an, daß er rettungslos dem Glücksspiel verfallen war. Die Musikwissenschaf ter vermuten auch, daß die Gesellschaft ihn deshalb fallenließ.

An die Stelle eines verklärten Genies tritt das Bild eines Menschen, der von Jugend an ein Übermaß an Selbstbewußtsein hervorkehrte, von den Eltern rücksichtslos auf Karriere getrimmt wurde und von sich nur als „superieurem Talent" sprach. An Stelle der Idealgestalt wird ein frühzeitig Gealterter, Verbrauchter, Ausgebrannter sichtbar, der natürlich nicht durch den Mord eines Feindes oder gar im Auftrag des Rivalen Antonio Salieri gestorben ist, sondern durch eine Quecksilberbehandlung gegen seine Syphiliserkrankung. Ein Mensch zwischen Zwängen, Sehnsüchten und Ungezügeltheiten, in psychisch und physisch kritischer Lage. Eine sehr moderne Geschichte.

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