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Ein Bischof an seine Lehre

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Grüß Sie Gott!

Diesen Brief an Sie, liebe Religionslehrer unserer Diözese, habe ich Ende August vor der Grotte in Lourdes geschrieben. 539 Pilger aus der Steiermark waren auf Wallfahrt. Besonders in Lourdes erleben alle das Volk Gottes der vielen Völker. Und die Kranken sind es, die stille Fragen an unser Leben stellen und zugleich diesem Leben etwas vom richtigen Maßstab geben.

An einem solchen Ort wird unser aller Hunger nach jener Ewigkeit spürbar, die das Antlitz des Herrn trägt.

Davon zu reden ist Ihr Beruf, und doch kann man es nie ganz sagen. Das ist das eigentliche Leid Ihres Berufes, auch meines. Wir haben von den Wunden der Menschheit zu reden und tragen sie selber-wir haben zu redenvon der leuchtenden Herrlichkeit des ewigen Reiches und sind selber unbeholfen auf dem Weg des Glaubens.

So gibt es Orte und Ereignisse, wo das alles zusammenfließt. Es ist kein Zufall, daß Wallfahrten mehr Menschen zusammenfuhren als jeder andere Anlaß außerhalb der Feier der Sonntagsmesse.

Mit meinem Brief möchte ich Ihnen Mut zusprechen. Ich kann Sie nicht alle persönlich und mit Namen kennen. Aber ich sehe Sie, die Katecheten unseres Landes:

Ich sehe Ihre Anspannung. Ich erlebe, wie sich Ihre Gesichter verschließen, wenn Vorwürfe gegen Sie laut werden, wenn auch damit oft Eltern ihre eigene Ratlosigkeit und Trauer auf Sie legen. Ich weiß, daß es Religionslehrer gibt, die schwer an persönlichen Problemen tragen — sei es in der Gesundheit, in der Ehe, an den eigenen Kindern. Sei es die Müdigkeit, oder die scheinbare Vergeblichkeit des Unterrichtes und bei den höheren Schulen die Angst der ersten Tage: Wie viele werden sich abmelden?

Und ich weiß, daß für manche „Kirche“ keinen guten Klang hat, weil sie sich in ihr nicht verstanden fühlen, oder weil sich leere Wörter in ihrer Seele eingenistet haben, wie etwa „Amtskirche“.

Ich stehe zu Ihnen. Das sollen Sie wissen. Aber ich habe auch Sorgen um Sie: Daß Sie Kirche wie eine Sache unterrichten und Ihre Hoffnung, daß wir nach unserem Tod von den Posaunen der Herrlichkeit Gottes aufgerufen werden, nicht hörbar ist, daß sie hinter historischen, psychologischen, kirchenpolitischen, sozialen Erwägungen verschwindet.

Ich habe Sorge, daß Sie gönnerhaft werden gegenüber dem Papst, den Bischöfen, der Tugend, der Heiligkeit. Daß es Ihnen nicht abgeht, wenn Sie nie in der Stille einer Kirche für sich allein knien. Daß es Ihnen nicht abgeht, wenn Ihre Seele nicht über eigene Schuld zu klagen versteht.

Ich habe Sorge, daß wir gehetzt werden von den täglichen Anforderungen und zu wenig Kraft und Lust besitzen, tiefer hineinzuhören, grundlegender nachzudenken, Tragfähiges zu lesen. (Ich empfehle sehr das Buch des Jahres — Hemmerle: Dreifaltigkeit.)

Aber größer als das alles sind die Verheißungen, die uns Gott gibt und für die wir danken sollen:

Daß wir begonnen haben, mehr zu wissen als die Bücher der ganzen Welt fassen können (vergleiche Joh 21,25), weil wir uns dem Evangelium anvertraut haben und dadurch Jesus Christus entdecken.

Daß es unser Beruf ist, das Evangelium zu allen heranzubringen: nichts macht das Leben so weit. Daß mein Reden von Gott belohnt wird mit einem neuen Sinn für die Freude und Hoffnung, die Trauer und Angst der Menschen und die Weite der eigenen Seele. Das ist Fülle des Lebens ohne Fadheit.

Daß Gott auf krummen Zeilen gerade schreibt und auch derzeitige kirchliche Verwirrungen Heil hervorbringen können — wenn, ja wenn wir an unserem Platz in Treue und fröhlicher Geduld solid und normal arbeiten.

Die Jünger von Emmaus sahen den Herrn nicht mehr. Auf dem Tisch aber lag das Brot, das Menschen hergestellt hatten, der Herr aber gebrochen hat. Unsere Kirche besteht aus uns Menschen. Nicht aus Engeln. Aber daß sie Nahrung wird für alle, auch für uns, das tut er.

Vor der Grotte von Lourdes dachte ich an jeden von Ihnen, mit Ihren Ideen, Ihrer Freude, Ihrem Kreuz.

Gott behüte Siel Ihr

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