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,,Ein bitterer Rest''
Hochverehrter Herr Präsident, Hoch?.?erehrter Herr Kollege Vdclav Havel, ich kann Ihnen kaum schreiben, wie sehr es mich beglückt, daß Sie der Präsident der CSFR geworden sind! Es ist nicht nur für mich eine große Genugtuung, es ist eine Bestätigung des Ranges der Literatur, e$ ist für die Literatur aller Zeiten und aUer RegiOnen eine große Bestätigung. Es hat Geistliche a???? Politiker gegeben, einmal den Pianisten Paderewski als Präsidenten Polens, es hat Militärs als Politiker gegeben, und das ist selten gut ausgegangen. Doch Sie sind der erste, der den · Schritt .vom satirischen Autor zum ersten Mann im Staat mit großer Selbstverständlichkeit unternehmen konnte, vom Staatsfeind zum Volksfreund.
Ich weiß, wie schwer Sie 's haben, ich ahne alle Ihre Fuß- . angeln der Tagtäglichkeit- und doch muß ich Sie heute bitten, sich mit einem Problem zu befassen, das Sie kennen und das mir unaufschiebbar scheint:
Sie wissen es: Als der Krieg
zu Ende war, fanden in Ihrem Land sehr schwere Ausschreitungen gegen die Deutschsprechenden statt. Es war ein Völkermord, wenn auch im Rahmen der Exzesse un;eres Jahrhunderts ein vergleichsweise unerheblicher. Es war nicht wie die . Vernichtungsorgie der Nationalso. zialistengegen die Juden, nicht wie die Vernichtungsorgien Stalins gegen seine Landsleute und gegen die Elite der polnischen Armee, es war nicht wie der bis heute geleugnete Völkermord der ·Türken gegen die Armenierim Ersten Weltkrieg, es war nicht wie das Wüten der rumänischen Diktatur und ihrer heutigen Nachfolger. Es war ein durch nichts gerecht! ertigtes Wüten, ein wahlloses Vernichten gegen, nein, aber nicht gegen die Nationalsozialisten, sondern gegen Freund und Feind, unterschiedslos gegen Täter und Opfer, die in den Tod und in die Flucht getrieben wurden.
Wir hatten in Österreich die Chance, Nachbarn bei uns aufzunehmen, sie sind brave, wertvolle
Mitbürger geworden. Ich vergesse nie den Ausspruch Bruno Kreiskys im Radio: „Das sind ordentliche Leute. Ich kenne sie. ·Mein Vater war von dort. "
Auch mein Vater war von dort. Er kam mit tschechoslowakischen Gefangenen aus Rußland zurück . Eine. Zeitlang waren wir Bürger der C. S. R.
Ich war jedes Jahr bei meinen Verwandten in der Tschechoslowakei zu Besuch. Das Land blieb für mich eine zweite Heimat, wenn auch nicht frei von dummen Deutschenhaß und von Diskriminierung, wohl verursacht durch die dualistische Politik der Monarchie „ .
Aber ich will Ihnen nicht die Geschichte Ihrer Heimat erzählen, nur noch zwei Erlebnisse. Einmal war ich auf dem Gipfel des Arber, das ist der höchste Berg des Böhmerwaldes, schon jenseits, in Bayern gelege7t. Und wie ich, befanden sich dort Tag für Tag Touristen, die sich bemühmten, in das böhmische Land hinunterzuschauen. Vertriebene wie
ich, wenn auch in zwei Phasen vertrieben.
Und vorige Woche war ich in Laa an der Thaya, der Grenzstation im Norden von Niederösterreich; und sie erzählten mir, daß dort ein Turm gewesen war-da kamenvieleundschau; ten sehnsüchtig nach Nordmähren, in ihre verlorene Heimat.
Die Heimat ist für die vom Arber und die von Laa an der Thaya nicht mehrverlo.ren. Aber für die Opfer aller Art des Nachkriegs um 1 945 bleibt ein bitterer Rest. Ich kann Sie, hochverehrter Herr Präsident, hochverehrter Herr Kollege, nicht von der Pflicht zur Erledigung dieser schwebenden Schuld befreien. Unsere Völker sind auf dem Weg zu einer beglückenden neualten Union. Aber wir brauchen eine Erledigung im europäischen Einvernehmen, um unserer beiden Völker willen.
Lassen Sie sich, bitte, für diese Ihre schwierige Aufgabe und für das Vielfältige an großen Aufgaben von mir gutes Gelingen und Gottes Segen wüns.chen! Ihrverehrungsvoll grüßender
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