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Ein Blau, das provoziert

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Mit der Publikation der Kulturabteilung des Landes ^ Niederösterreich über Geschichte und Restaurierungsprobleme de? ehemaligen Augustiner-Chorherrenstiftes wird in mehrfacher Hinsicht der neue Weg deutlich, der in der kleinen Stadt an der Donau eingeschlagen worden ist: eine Rettungsaktion, die durch Spendengelder der Bevölkerung prompter und umfassender in die Tat umgesetzt werden konnte als jede vorangegangene. Eine Ak-

tion aber auch, die durch den Entschluß der Denkmalpfleger, den Turm der Stiftskirche blau zu fär- beln und seine Figuren und Reliefs mit einem weißen Kalkanstrich zu versehen, nicht nur Zustimmung gefunden hat. Somit eine Aktion, über deren Details die Verantwortlichen Rechenschaft abzulegen haben.

Aufgebracht wurden zur Rettung des Bautenkomplexes, der unter den Pröpsten des späten 17. Jahrhunderts barockisiert und im frühen 18. Jahrhundert unter Propst Hieronimus Ubelbacher zum ersten Mal renoviert worden ist, bisher private Spenden in der Höhe von sechs Millionen Schilling. Das Land Niederösterreich hat den Betrag verdoppelt. Geschätzt werden die Kosten sämtlicher Arbeiten an der „Perle der Wachau“ auf rund 38 Millionen Schilling.

Für die Erneuerung des Stiftskirchen-Daches und des anschlie- ßenden Kreuzganges sowie zur Restaurierung der Nordostseite der Kirche wurden von April bis September 1985 mehr als 2,7 Millionen Schüling ausgegeben. Die 1986 durchgeführte Erneuerung der äußerst komplizierten Dachzonen zwischen Kirche und Stiftshof, des kompletten Sakristeihofes und des Stucks in den

Kirchenzugängen sowie die Aufhängung der Saaldecke durch eine Stahlkonstruktion haben 4,250.766 Schilling verschlungen.

Vor gegangen ist man dabei nach dem Dringlichkeitsgrad. Das heißt, man hat als erstes jene Abschnitte saniert, die entweder am meisten vom Verfall bedroht waren oder ohne rasche Sicherung weiter gelitten hätten.

Nach der Eingerüstung des Turmes im April 1986 wurde allerdings festgestellt, daß der nach Entwürfen von Matthias Steinl und Josef Munggenast erbaute Turm, für den Johann Schmidt Reliefs und Vollfiguren geschaffen hatte, stärkere Schäden aufwies als angenommen: Aggressive Niederschläge hatten die ungeschützte Steinoberfläche angegriffen. Frühere Restaurierungen hatten sogar zu Sprengungen bei

Werkstein und Bauplastik geführt.

Nach Genehmigung des Konzepts wurden deshalb noch im selben Jahr nicht nur der Turmunterbau statisch abgesichert, die Steinteile gereinigt, gefestigt und überarbeitet oder ergänzt, son-

dem auch der Putz wieder in Ordnung gebracht. Und das, laut Landeskonservator Werner Kit- litschka, nach in jeder Hinsicht wissenschaftlich i abgesicherten Erkenntnissen, ganz im Sinne einer Denkmalpflege, die sich mit der Vergangenheit und der Geschichte identifiziere. Entsprechend den Materialuntersuchungen und den Rechnungsbüchern aus den Tagen des Hieronimus Ubelbacher wurde der Turm in der Farbe Smalte - ein mit Kobalt blau gefärbtes, pulverisiertes Glas, das als färbendes Pigment dem Bindemittel (öl) beigesetzt wurde - originalgetreu verputzt, während die Steinfiguren zwar wieder weiß angestrichen wurden, jedoch aus konservatori- schen Überlegungen nicht mit Bleiweiß, sondern mit einer Schlämme aus Kalk und Steinmehl.

Bei manchen Kunsthistorikern und einem Teil der Bevölkerung stieß diese Lösung auf Widerspruch. So erklärt etwa Professor Rupert Feuchtmüller unter anderem, das verwendete Blau entspreche nicht den Analysen, es müßte Blau-Grau sein. Jetzt wirke der Turm im Zusammenspiel mit dem Weiß des Dekors manieri- stisch und die Plastik wie aufgesetzt. Auch passe nun der Turm nicht zu dem Gelb-Grau der übri gen Stiftsfassade, wie es dem größten Restaurierungsunterfangen an dem unter Kaiser Joseph II. aufgehobenen und dem Stift Herzogenburg übergebenen, zur einfachen Pfarre umfunktionier- ten Baukomplex überhaupt an einem Gesamtkonzept fehle.

Trotz dieser Einwände werden die Arbeiten am Stift Dürnstein kontinuierlich fortgesetzt. Für heuer ist die weitere Trockenlegung der Krypta und des Kreuzganges vorgesehen, ebenso deren Klimatisierung und die Restaurierung der donauseitigen Fassaden. Laut der eben erschienenen Broschüre beträgt die Summe des Voranschlages 3,700.000 Schilling.

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