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Ein Bundesland als Spätstarter

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dernisierung unseres Landes kam. Und vor allem auf eines sind wir Niederösterreicher besonders stolz. Es waren Männer unseres Landes - ich denke hier vor allem an Leopold Figl, dessen Todes vor 15 Jahren wir in diesen Tagen ebenfalls gedenken, Julius Raab und nicht zuletzt an die Landeshauptleute Reither und Steinbock -, die Niederösterreich und Österreich zusammen mit einem Renner und Körner, einem Schärfund Kunschak jene neuen Wege eines Österreich isch-pa triotischen Selbstverständnisses mit gesunder wirtschaftlicher Basis gewiesen haben, an dem es im Österreich der ersten Republik nahezu zur Geänze gefehlt hatte.

Handikap, Spätstart - dazu ist vor allem noch ein weiteres zu sagen: Während wir uns mit den schrecklichen Kriegsfolgen und zehn Jahre mit der Besatzungsmacht herumschlagen mußten, war es den westlichen und südlichen Bundesländern, die weder von den

Kriegsereignissen noch von der Besatzung in dem Maße wie Niederösterreich betroffen waren, bereits möglich, die Wirtschaft neu aufzubauen und vor allem auch schon frühzeitig den Fremdenverkehr anzukurbeln. An letzteres war in Niederösterreich bis 1955 nicht einmal zu denken.

Doch wir wollen auch diese Negativentwicklungen im positiven Licht sehen - daher auch die Chance beurteilen, die sich aus diesem Handikap für Niederösterreich ergeben hat. Und diese Chance bestand vor allem darin, daß wir durch den späten Beginn der Neuordnung und Neuorientierung Niederösterreichs einerseits bereits aus Fehlern anderer die nötigen Lehren und Schlüsse ziehen und andererseits ziemlich übergangslos eine enorme Modernisierungswelle unseres Landes einleiten konnten.

Die Chance für Niederösterreich bestand aber nicht zuletzt auch darin, daß wir in diesen leidvollen Jahren gelernt haben, die Segnungen der Freiheit und Selbständigkeit in besonderem Maße zu schätzen, sie zu nutzen und gemeinsam zu neuen Ufern für unser Land auf- * zubrechen. Und wir können heute mit Stolz und Uberzeugung sagen, daß die Chance einer umfassenden Neuorientierung für unser Bundesland, das wir gerne und sicherlich zu Recht als Österreichs Kernland bezeichnen, auch tatsächlich gewahrt wurde.

Die Bilanz 1980 ist, trotz aller vorhandenen gegenwärtigen and bevorstehenden Schwierigkeiten, für die wir wahrlich nicht alleine verantwortlich zeichnen, tatsächlich eine imponierende:

Wir sind mit Abstand das Agrar-Bundesland Nummer eins geblieben und konnten diese Stellung sogar noch ausbauen.

Wir sind, und das ist besonders bemerkenswert, in den vergangenen Jahren auch Österreichs Industriebundesland Nummer eins geworden, wobei hier Land, Gemeinden und vor allem die Betriebs- und Wirtschaftsführer selbst mustergültig zusammengearbeitet haben und wir uns auf eine fleißige und tüchtige Bevölkerung in allen Ebenen des Arbeitsprozesses stützen können.

Niederösterreich ist heute ebenso auf strukturpolitischem Gebiet das führende Bundesland, eine vorbildliche Raumordnung und in weiterer Folge Regionalplanung wurden in die Wege geleitet, jeder Schilling wird heute nach raumordnungspolitischen Richtlinien und damit sinnvoll und zielgerichtet investiert.

Wir haben im Schulbereich sowie im Gemeindewesen modellhafte strukturpolitische Maßnahmen gesetzt, ein Netz moderner zentraler Kindergärten und Schulen geschaffen und die Gemeinden durch entscheidende Fusionen auf eine gesündere Basis gestellt, obwohl es gerade hier finanziell noch viele offene Wünsche gibt.

Auf sozialem und kulturellem Gebiet wurden ebenfalls große Leistungen gesetzt, die Niederösterreich auch in diesen Bereichen zu einem unter den führenden Bundesländern im Staate gemacht haben.

Und so könnte man noch eine Reihe von Beispielen anführen. Unser Land hat in der Geschichte, am Schnittpunkt mehrerer Völker, Kulturen und politischer Interessensphären gelegen, schon mehrfach schwerste Belastungsproben zu überstehen gehabt. Handikaps wurden so überwunden, daß sich danach neue Chancen für unser Land ergeben haben.

Dies haben wir gelernt, und wir haben vor allem auch gelernt, daß große Leistungen, große Werke für unsere Landesbürger letzten Endes, trotz aller Unterschiedlichkeiten und Gegensätze der politischen Lager, nur in Gemeinsamkeit geschaffen werden können. Nie mehr sollen Existenz- und Lebensgrundlagen unseres Landes als Folge innerer Konflikte aufs Spiel gesetzt werden. Darauf - nämlich auf die Besinnung der gemeinsamen Arbeit zum Nutzen unseres Landes und seiner Bürger - kommt es in erster Linie an.

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