7046716-1990_36_11.jpg
Digital In Arbeit

Ein Deal in Nahost?

Werbung
Werbung
Werbung

Der Libanon „braucht" die Golf krise nicht, um im Chaos zu versinken, er „schafft" es auch ohne diese. Dennoch ist es sinnvoll, den gegenwärtigen Entwicklungs- stand zu betrachten und auf etwai- ge Auswirkungen des Ringens zwi- schen dem Irak und seinen Wider- sachern einzugehen.

Der Libanon ist noch immer durch den Kampf rivalisierender Regie- rungengekennzeichnet. Im Wesent- lichen geht es um den Konflikt zwischen dem christlich-sektiere-

rischen Regime von Michel Aoun und dem einen breiteren arabischen Konsensus repräsentierenden Prä- sidenten, ebenfalls christlicher Herkunft, Elias Hrawi.

Die einzige effektive auswärtige Hilfe, welche der bedrängte Aoun erhalten hatte, kam von Bagdad; Saddam Hussein wollte dadurch seinem syrischen Rivalen Schwie- rigkeiten bereiten, denn Damaskus steht mehr oder weniger hinter der Regierung Hrawi.

Durch seine Kriege mit den Sy- rern und seinem inner-christlichen

Gegner Samir Geagea von den „Forces Libanaises" militärisch geschwächt, wurde Aoun schon vor Ausbruch der Golfkrise auch für den irakischen Diktator immer weniger attraktiv. Saddam wird angesichts der ihm gegenüberste- henden Armada seine Unterstüt- zung für Aoun wohl weiter reduzie- ren. Dieser kontrolliert ohnehin nur noch eine kleine Enklave nördlich von Beirut - ohne eine Stadt und ohne einen Hafen.

Der nahöstlichen Logik des ver- meintlichen Überlebenskampfes folgend versucht sich nun der Füh- rer des „Befreiungskrieges" (Aoun) gegen die Syrer mit ebendiesen zu arrangieren. Tausende Opfer hin oder her, er braucht Hilfe gegen seinen Rivalen Geagea.

General Aoun gibt nicht auf, er laviert nur. Um sich mit den Syrern zu arrangieren, muß er sein bisheri- ges Bestehen auf einen totalen Rückzug der Truppen Assads aus

dem Libanon aufgeben; er hat auch seine Ablehnung der Verträge von Taif, die eine Reform der internen Machtverteilung vorsehen, still- schweigend fallen gelassen. Auf diese Weise hofft er ein drohendes Embargo über seine Enklave zu vermeiden und zumindest die Lo- yalität seiner Basis zu erhalten.

Es ist nicht ganz klar, ob Syrien am Erfolg der Taif-Vorschläge in- teressiert ist. Denn die Manöver General Aouns haben tatsächlich zu einem Raprochement mit Da- maskus geführt. Wahrscheinlich ist Assad nicht daran interessiert, daß eine Schwächung des Generals dem mindestens ebenso „fanatischen" Samir Geagea zugute kommt.

Aoun soll offensichtlich so weit geschwächt werden, daß er bereit ist, seine Truppen in eine zu bilden- de libanesische Armee einzuglie- dern.

Auf diese Weise könnten dann die Milizen der Forces Libanaises

unter Umständen kontrolliert wer- den.

Während in und um Beirut eine inner-christliche Schlacht tobt, wird der Süden des Landes von inner-schiitischen Auseinanderset- zungen erschüttert. In den Iqlim al- Tyffah Bergen südlich von Sidon stehen sich nicht nur die beiden Kontrahenten um Hegemonie über die schiitische Gemeinschaft, Amal und Hezbollah, gegenüber. Syrien und der Iran mischen mit. Amal gilt als pro-syrisch, Hezbollah als Freund des Mullah-Regimes in Teheran. Aber auch Israel und die PLO sind mit dabei.

Letztere gibt an, im Interesse der Einheit des Libanon und der arabi- schen Welt zu intervenieren. Die Anhänger Jassir Arafats sprechen davon, daß die Hezbollah die letzte Runde der Kämpfe ausgelöst habe, um das Land noch mehr zu zer- splittern und eine neue, von ihr kontrollierte, Enklave zu schaffen.

Wahrscheinlicher ist, daß die PLO- Verbände eine Gelegenheit sehen, ihre eigene Präsenz wiederzustel- len. Ironischerweise finden sich die PLO und Israel zur Zeit im „glei- chen" Anti-Hezbollah-Lager.

Haben diese Kämpfe eine regio- nale Dimension? Reflektieren sie vielleicht eine zunehmende Ent- fremdung zwischen Syrien und dem Iran, welche durch die spektakulä- re „Versöhnung" zwischen Tehe- ran und Bagdad nur noch unter- strichen wurde?

In die gleiche Richtung könnte die jüngst eingetretene Annäherung zwischen Damaskus und Kairo gewirkt haben. In Israel wurden an diese Vorgänge Spekulationen geknüpft, daß ein „deal" zwischen Jerusalem und Damaskus sowohl über den Libanon als auch über die Golan-Höhen vorstellbar wäre. Für Syrien selbst stellt sich allerdings die Frage, ob seine Interventions- fähigkeit im Libanon nicht dadurch reduziert wird, daß sich das Regime im Innern Pro-Saddam-Demon- strationen gegenübersieht und „außen" an einer pan-arabischen Streitmacht zu beteiligen gedenkt.

John Bunzl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Österreichischen Instituts für Internationale Politik.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung