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Ein Dichter und Bekenner im Rausch des Ruhmes

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„Kein Gesang ohne Schuld” diesen Ausspruch von Ernst Bertram hat Weinheber in seinem Nachlaßband „Hier ist das Wort” (1947) als Motto über den Abschnitt „Das Bekenntnis” gesetzt. Zwischen Anerkennung und Verkennung seiner Dichtung ist dieser Lyriker in seiner Selbstschau und Selbstanklage ein ehrlicher Bekenner gewesen.

Als 1934 „Adel und Untergang” erschien, ließ sein Hauptwerk alle für Lyrik Empfänglichen aufhorchen. Bald versuchten es die Machthaber des Nationalsozialismus, diesen Autor vor den Wagen ihrer Kulturpolitik zu spannen. Und der Dichter, über dessen Leistung man so lange hinweggesehen hatte, war nicht unempfänglich für diese Beachtung, die man seinem Werk schenkte, und hat anfangs manche Konzessionen gemacht. Das wurde ihm nach 1945 schwer angelastet. Bald aber erkannte er die Gefahren, die ihm drohten: „Weh ihm, wenn der Rausch ihn des Ruhmes befiel...” heißt es schon in der „Späten Krone” (1936).

Viele Stellen seiner Gedichte und namentlich seiner Briefe sprechen im Laufe der Jahre eine immer deutlichere Sprache. An Maria Mahler schreibt er im September 1943: „Ich mußte, seitdem ich berühmt bin, dem Mob aller Schattierungen meinen Tribut zahlen”, und ein Vierteljahr später steht in einem Brief an dieselbe Adressatin: „Das Problematische meines .Dichtertums' ist mir zutiefst bewußt”.

Dennoch wußte er um seine künstlerische Substanz. Und das wußten bald auch die maßgeblichen Beurteiler im deutschen Sprachraum und darüber hinaus. Sie waren fasziniert von der Spannweite und Modulationsfähigkeit einer Dichtung, die vom gehobenen Ton der Hymnik bis zum zarten Blumenlied alle Register lyrischer Kunst beherrschte.

Selbst ein Gegner wie der Schweizer Literaturhistoriker Walter

Muschg mußte den Formkünstler anerkennen, er nennt ihn einen „Könner ersten Ranges, dem im modernen deutschen Schrifttum keiner das Wasser reicht”.

Dieser Formkünstler, der die griechischen Odenformen ebenso meisterte wie die romantischen Strophenformen des Sonetts, der Stanze und Terzine oder des orientalischen Ghasels, war auch auf der Klaviatur der Mundart zu Hause, wie „Wien wörtlich” (1935) erwiesen hat. Das lyrische Kalenderbuch „O Mensch gib acht” (1937) zeigt die bäuerlich-volkstümliche und vor allem die religiöse Seite seiner Dichtung. Die dem katholischen Brauchtum zugewandten Gedichte erregten durch manche Verse Anstoß im Dritten Reich, das Buch entging nur knapp dem Verbot — und Robert Ley, damals Reichsleiter der NSDAP, schrieb an den Leiter des Verlages Langen-Müller in München: „Wer so was schreibt oder druckt, gehört ins Konzentrationslager”. Und als Weinheber beim Weimarer Dichtertreffen auf die Frage von Minister Goebbels, was man in Österreich zur Hebung der Kultur machen könne, mit „In Ruah lassn” antwortete, hatte er sich die Gunst der Parteistellen gründlich verscherzt.

Der 1892 in Wien geborene Dichter hat alle Spannungen und Schrecknisse zwischen zwei Weltkriegen durchlebt und durchlitten. Seine letzten Lebensjahre waren zunehmend verdüstert. In seinem Landhaus in Kirchstetten an der Westbahn, das er aus den Mitteln des ihm 1936 verliehenen Mozartpreises der Goethe-Stiftung erworben hatte, endete er am 8. April 1945 nach Einnahme einer Uberdosis Morphium durch den selbstgewählten Tod. Im Garten seines Hauses fand er seine letzte Ruhestatt.

An seinem Grab stand oft der engliche Lyriker Wystan Hugh Auden, der Verfasser des „Zeitalters der Angst”. Er widmete dem „Kollegen und Nachbarn” ein langes Gedicht, in dem er sagt:

„Auch mein englisches Ohr entdeckt in deinem Deutsch die Meisterschaft”. Und der italienische Literarhistoriker Claudio Magris nannte in der FURCHE Weinhebers Lyrik „eine der höchsten Er-, rungenschaften des europäischen 20. Jahrhunderts”. So wird sich wohl, vierzig Jahre nach des Dichters Tod, allmählich das Wort erfüllen, das in einem Sonett seines Nachlaßbandes steht: „Die Zeit entscheidet viel, der Streit vergeht”.

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