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Ein dicker Brei

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„Die Suppe ist zu dünn ": Wo sind die Zeiten, da ein Justiz­minister mit solcher Diagnose die Strafverfolgung gegen Udo Proksch alias Serge Kirchho­fer verzögern konnte? Die Brühe, in der die Medien täg­lich rühren, seit der burleske „Schweinezüchter" ein Ange­klagter ist, ist mittlerweile klebrig dick geworden.

Proksch hat die Szene zum Theater gemacht, undallespie-len mit. Seriöse „Artgrafiker" verlieren beim Kampf um Sitz­plätze im „kamerascheuen" Verhandlungssaal Bleistift und Contenance; Zeitungen muten ihren Lesern Kohlensack-Konturen als „Dennoch-Fotos " des Angeklagten zu, nur um zu beweisen, daß sie das Verbot des Richters brachen; alle schreiben kilometerweise an­gebliche Proksch-Zitate in Anführungszeichen, und doch lautet jedes Zitat anders als bei der Konkurrenz.

Wer erfahren will, ob beim stundenlangen Steinesieben im Verhör auch ein Goldkörnchen zum Vorschein gekommen ist, hält sich am besten an einen Einspalter der „Neuen Zür­cher": Dort wird ein „Teilge­ständnis" beim Namen ge­nannt: Es war also auch laut Udo keine komplette Uran­erzaufbereitungsanlage an Bord, der Versicherungsbetrug scheint...

Halt: Beweiswürdigung in diesem Stadium ist in einer österreichischen Zeitung durch Gesetz verboten. Macht nichts. Viele Gazetten besorgen sie dennoch seitenlang. Oder sie titeln die Anklageausweitung auf Mordverdacht in einen Schuldspruch („Es war Mord") um.

Solche Vorverurteilung läßt auch die beeideten Helfer der Justiz nicht ruhen. „Normal ist er nicht", diagnostizierte ein eben bestellter Psychologe, nachdem er sich den Angeklag­ten einmal kurz „angeschaut" hatte. Warum hat der Richter nicht gleich einen Gerichtssaal­kiebitz aus der letzten Bank gefragt? Dieses „Gutachten" hätte der auch zusammenge­bracht - und wäre weiter Pro­zeßteilnehmergeblieben, wäh­rend ein Psychiater nach er­sten Tests für zwei Wochen auf Urlaub ging.

Nein, normal im Sinn von Durchschnitt und Regelfall ist Udo der Unberechenbare sicher nicht. Aber, so beteuern all die Experten, die sich seit vielen Jahren mit ihm und seiner Causa herumschlagen, eins sei nach ein paar Prozeßtagen schon gewiß: Es ist der ganze, derselbe, der nämliche Udo Proksch von einst!

Und da fragt man sich be­sorgter als je zuvor, wie denn Stars von Staat und Gesell­schaft auf diesen Harlekin hereinfallen konnten und ob nicht ein reimender Journalist in der Tat den Nagel auf den Kopf traf, als er dichtete: „ Und hatte er auch einen Klopfer -den größten hatten seine Op­fer."

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