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Ein Diwan aus Bosnien

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Die Begegnung mit der orientalischen Poesie, vor allem mit dem „Diwan”, einer Lyriksammlung des persischen Dichters Hafez, gab Goethe den Anstoß zu seinem Gedichtezyklus „Westöstlicher Diwan”. Der im Jahre 1953 geborene, in Sarajewo lebende, bosnische Schriftsteller Dzevad Karaha-san wählte für seinen 1989 erschienenen historischen Roman aus dem alten Arabien den Titel „Der östliche Diwan” aus.

So wie der bekannte verstorbene Schriftsteller Mesa Selimovic (auf Deutsch liegt sein Roman „Der Derwisch und der Tod” vor) ist auch der jüngere Karahasan ein Autor moslemischer Tradition und serbokroatischer Zunge. In seinem „Diwan”, dieser persischen Bezeichnung für eine Sammlung der Gedichte (oder auch anderer Texte), präsentiert er ein buntes Geflecht aus Erzählungen, Kriminalgeschichten, historischen Begebenheiten, religiösen und philosophischen Traktaten, Liebesbriefen und Tatsachenberichten.

Der Roman ist vielleicht ein demonstratives Ablehnen der Mythen, Parabeln und Legenden der moslemisch-arabisch-türkischen Kulturwelt, mit der die bosnischen mani-chäischen Bogomilen, arg verfolgt von den Christen, in Berührung kamen, als sie im 15. Jahrhundert freiwillig den Islam annahmen.

Karahasan erzählt die Geschichten aus Basra und Bagdad, er berichtet über die Morde in den „besten Kreisen” der orientalischen Gesellschaft, über das Leben am Hofe des Wesirs, über das Wirken der „Aufrichtigen Brüder”, einer in Basra gegründeten geheimen Gruppe freier Denker, die den Islam „humanisieren”, mit Ergebnissen der naturphilosophischen und mathematischen Erforschung der Welt, vervollkommnen wollten. Das Buch von Karahasan stellt im Grunde eine neue Form des historischen Romans vor, obwohl es einige Tücken und Schwächen, zum Beispiel langatmige orientalische Monotonie, besitzt.

Wenn der große Meister der bosnischen Literatur, der Nobelpreisträger Ivo Andrid, die traditionelle, realistische - positivistische Variante des Romans entwickelt hat, schreibt Karahasan eine neue, moderne und spezifische Prosaform, voll von Sensua-lität und Meditation, eingeschlossen in ein düsteres, gefährliches und hermetisches Ambiente von Macht und Korruption.

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