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Ein dritter Triumph

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Nach dem dritten überwältigenden Sieg der britischen Konservativen in den Wahlen vom letzten Donnerstag scheint Premierministerin Margret Thatcher in diesem Jahrhundert von niemandem mehr gefährdet. Der Weg ist frei für die Vollendung jener Revolution, die sich mit dem Namen der Siegerin verbindet. Eine überwältigende Mehrheit in Westminster, nahezu so groß wie im letzten Parlament, räumt jeden Widerstand beiseite.

Das Absurde des Triumphes von Margret Thatcher liegt in der Tatsache, daß sich die Konservativen nur auf eine Minderheit des Wahlvolkes stützen können. Fast drei von fünf Briten versagten der Lady ihre Zustimmung. Das geltende Majoritätssystem schafft zwar klare Verhältnisse, eine gerechte Widerspiegelung des Kräfteverhältnisses ist es mitnichten. Noch mehr: Im ärmeren Norden ging der ohnedies geringe Einfluß der „natürlichen Regierungspartei“ noch weiter zurück. Im florierenden Süden hat die Opposition weniger denn je zu sagen. Doch solange das Herzland der Tories wohlhabender wird, braucht den Konservativen nicht bange zu werden.

Die Briten mögen dem gekonnten Feldzug des Oppositionsführers Neil Kinnock Beifall klatschen, der vernünftigen Politik der Mitte zustimmen, letzten En-

des honorieren sie Stärke und Entschlossenheit. Thatcher besaß als erste die Fähigkeit, die Ausbreitung der britischen Krankheit — wirtschaftlicher Niedergang, Vergeudung und Leistungsunfähigkeit — aufzuhalten und teilweise zu kurieren. Ausgerottet ist sie so wenig wie der selbstgefällige Slogan der Tories „Britannien ist wieder groß“ mehr als Selbsttäuschung ist.

Einen gesellschaftlichen Wandel hat Margret Thatcher ohne Zweifel in Gang gebracht, aus dem sie selbst den größten Nutzen schöpfte. Der breiten Mittelschicht geht es besser, Manager und Geschäftsleute haben freie

Hand, der Unternehmergeist ist angespornt. Facharbeiter sind die Sozialleiter hinaufgefallen und solchermaßen der Oppositionspartei entfremdet, wenn schon nicht den Tories, so doch der Allianz zugeführt. Nirgendwo aber gibt es viele Bedürftige und Verarmte, weil die Öffentlichkeit schlecht für sie sorgt. Wenn die geteilten Oppositionsparteien die Trommel für die Benachteiligten rührten und einer sorgenden Gesellschaft das Wort redeten, dann schlugen sie fehl, weil Thatcher an Eigeninteressen, ja Habgier der Bessergestellten appellierte — und damit durchgedrungen ist. Etwa die Hälfte der Labourwäh- ler hat vom Wachstum der Wirtschaft und steigender Prosperität nichts abbekommen.

Die „eiserne Lady“ vergeudet keine Zeit, um ihr radikales Manifest zu verwirklichen. Die Veränderungen im Kabinett zeigen sofort, wie die Schwerpunkte gesetzt sind und wohin die Stoßrichtung führt: Belebung der Innenstädte, Hochburgen der Labour- partei, und damit Eliminierung von Verbrechen, Verwahrlosung und Arbeitslosigkeit. Effizientere Wirkung des Gesundheitsdienstes, indem Teile privater Initiative anheimgestellt werden. Reform des staatlichen Schulsystems, das Halbgebildete produziert. Die Energie der Ministerpräsidentin in Rechnung gezogen, könnte es in vier bis fünf Jahren im „Staate Thatcher“ um vieles besser stehen.

Haben die ziemlich hoffnungslos geschlagenen Oppositionsparteien wirklich nichts parat, um dem ungünstigen Geschick eine Wende zu geben? Kinnocks Partei wird nicht umhin können, ideologischen Ballast abzuwerfen und selbstmörderische Politiken, etwa die unilaterale Verteidigung, zu lockern, so fest diese auch in den Herzen der Anhänger verhaftet sind. Die extreme Parteilinke, deren Possen Labour das Wasser abgraben, ist in dieser Wahl nur noch stärker geworden. Kollektivismus ist in einem Land, das Thatchers Individualismus umarmt, nicht mehr gefragt.

Für die Mitte ist Verschmelzung unter einem Führer nach dieser Schlappe zu einer Frage von Leben und Tod geworden. Allein kann es weder eine gestraffte La- bourpartei noch eine vereinte Allianz schaffen, einem übermächtigen Gegner die Stirn zu bieten. Eine . Vereinigung der linken Kräfte im Königreich ist jedoch noch ferne Zukunftsmusik.

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