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Digital In Arbeit

Ein Druckwerk von postmoderner Beliebigkeit

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Der Unterschied zwischen einem Wissenschaftler und einem Journalisten läge darin, daß ersterer danach streben würde, immer mehr über immer weniger zu wissen, während der Journalist nur immer weniger über immer mehr erfahren könne. Wissenschaftler, so lautet die Konklusio, würden zuletzt alles über nichts wissen, während Journalisten damit enden würden, nichts über alles zu sagen.

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Der Unterschied zwischen einem Wissenschaftler und einem Journalisten läge darin, daß ersterer danach streben würde, immer mehr über immer weniger zu wissen, während der Journalist nur immer weniger über immer mehr erfahren könne. Wissenschaftler, so lautet die Konklusio, würden zuletzt alles über nichts wissen, während Journalisten damit enden würden, nichts über alles zu sagen.

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Daß dieses bissige Bonmot, zumindest was den Journalismus betrifft, auch wahr sein könnte, muß einem bei der regelmäßigen Lektüre der jüngsten Kreation aus dem Hause Falk in den Sinn kommen, „täglich Alles" ist ein Druckwerk, das tatsächlich den Journalismus in der beschriebenen Form zu'Ende führt: täglich nichts über alles - und das noch dazu auf glänzendem Papier und im Vierfarbdruck.

Billiger TV-Ersatz

Jeder Versuch, diese Mischung aus Halbrecherchiertem, Dejä-vu und Gartenlaube, anmaßendem Saubermann-Gehabe und schierer Bosheit einer detaillierten Kritik zu unterziehen, muß scheitern, „täglich Alles" ist ein Medium von postmoderner Beliebigkeit, das alle klassischen Kriterien der Zeitung, wie etwa Aktualität, umfassende Information oder sachgerechte Kommentierung außer Kraft setzt, „täglich Alles" setzt nicht mehr auf den kritischen Leser, sondern auf den bilderverwöhnten Konsumenten, „täglich Alles" ist nicht mehr als ein drei Schilling billiger Fernsehersatz, allerdings auch nicht weniger: eine sich seit 5. April Tag für Tag wiederholende farbenprächtige Kapitulation vor dem Neo-Analphabetismus.

Natürlich wird „täglich Alles" seinen Markt finden. Aber es wird, deutlicher als dies bisher bei anderen Neu-Publikationen der Fall war, kein Leser-, sondern ein Käufermarkt sein. Denn „täglich Alles" ist geboren aus dem konsequent angewendeten Prinzip, daß produziert werden muß, was der Markt verlangt. In diesem Fall ist es die Werbewirtschaft, welche jetzt die Möglichkeit hat, täglich Farbanzeigen in einer bisher nicht erreichbaren Druckqualität schalten zu können. Und die damit eine Konsumentenschicht erreichen kann, der es vor allem um „Fernsehen zum Umblättern" geht.

Mag sein, daß diese Rechnung aufgeht. Das wäre aber nur ein weiterer Beweis dafür, daß sich heutzutage wirklich alles verkaufen läßt, wenn man genügend Kapital und eine clevere Marketing-Strategie hat. Der bekannte Vergleich mit dem Verkaufen von Waschmittel ist in diesem Fall sogar statthaft. Denn der Herausgeber von „täglich Alles" hat sein Handwerk schließlich beim Henkel-Konzern gelernt. Insoferne ist es für die publizistisehe Bewertung von „täglich Alles" auch völlig unerheblich, ob sich dieses Produkt am Markt durchsetzen kann oder nicht. Denn für den Erfolg einer Marketing-Strategie ist die Qualität eines Produkts nicht wirklich wichtig; der

Erfolg wird allein von der Nachfrage gesteuert. Diese Einsicht ist vor allem für jene bitter, welche der altmodischen Ansicht anhängen, Zeitungen sollten neben Geld auch etwas mit Geist zu tun haben. Etwa mit dem Anspruch, einen Beitrag für die politische Kultur oder das Geistesleben eines Landes zu leisten oder etwas zur Bildung der Leser beizutragen.

Merkwürdig immerhin, daß die Geburt von ( „täglich Alles" von so wenig öffentlicher Kritik begleitet wurde. Von der in Wien immer großen Schar der Kulturkritiker, welche gegen jede vermeintliche oder tatsächliche Verirrung des Geschmacks phrasenreich anzugehen pflegen, war kein Wort zu hören. Die Zeiten, wo etwa eine Sigrid Löffler oder der Kabarettist Gerhard Haderer die Zeitschrift „Basta" gekonnt verrissen haben, sind offensichtlich vorbei. Und auch all die Hüter unserer politischen Kultur, die zur Erwiderung jedes Haider-Halbsatzes in die Zeitungsspalten oder vor die Mikrophone drängen, blieben stumm. Oder vielleicht nur vorsichtig.

Dabei hätte etwa die Selbstdarstellung dieser Publikation, die bereits in ihrer ersten Ausgabe für sich beansprucht hatte, gleichsam die Zeitung neu erfunden zu haben, genügend Anlaß zu grundsätzlicher Kritik geboten. Auch die, noch dazu in schlechtem Deutsch formulierte Robin-Hood-Attitüde des Blattes („Hilfreich den Schwachen") hätte sich eine öffentliche Bewertung verdient.

Gewöhnungseffekt?

Was als Versuch einer kritischen Auseinandersetzung in Erinnerung blieb, war lediglich eine skurrile Diskussion am „runden Tisch" des ORF über die Giftigkeit von Druckfarbe, als deren Höhepunkt ein würdiger Vertreter der Kommunikationswissenschaft verkündete, bei „täglich Alles" würde es sich um gar keine Zeitung, sondern um ein „täglich erscheinendes Magazin" handeln.

Österreich wird sich an „täglich Alles" gewöhnen müssen. Das allein ist nicht schlimm. Denn schließlich haben wir uns ja auch an Junk-Food, Stadtzerstörung, Rockmusik und jede andere Art von Zivilisationsmüll gewöhnt. Wer all das für zivilisatorischen Fortschritt hält, den wird auch die Existenz von „täglich Alles" nicht stören.

Übrigens: es gibt auch in Österreich eine gute vollfarbige Tageszeitung. Sie heißt „USA-today" und ist am Kiosk erhältlich. Sie hat allerdings zwei Nachteile: Man muß englisch können und 27 Schilling für eine Ausgabe bezahlen.

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