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Ein Entwurf mit Schönheitsfehler
„Zur Sicherung der bestmöglichen Entwicklung des Kindes ist für eine besondere Betreuung der Schwangeren, Wöchnerinnen, Säuglinge und Kleinkinder vor-zusorgen."
So schön steht es im Paragraphen 2 des Entwurfes für ein neues Jugendwohlfahrtsgesetz. Und doch hat diese Formulierung einen nicht unwesentlichen Schönheitsfehler: Denn bisher sollte laut Gesetz für die bestmögliche Entwicklung des Kindes „von der Empfängnis an" vorgesorgt werden. Diese vier Wörter fehlen im neuen Entwurf des Sozialministeriums.
Warum? Aus Rücksicht auf die Fristenregelung? Paßt solche Rücksicht auf einen ohnehin umstrittenen Paragraphen, der den Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Voraussetzungen straffrei läßt, in ein Gesetz, das unter dem Titel „Jugendwohlfahrt" steht? Dient eine solche Maßnahme dem Wohl des Kindes?
Grundsätzlich werden aber sowohl der Entwurf des Sozialministeriums als auch der vom Justizministerium vorgelegte Entwurf veränderter zivilrechtlicher Bestimmungen auf dem Gebiet der Jugendwohlfahrt begrüßt — wenn auch mit Einschränkungen.
Während FPÖ-Sozialsprecher Jörg Haider damit rechnet, daß der Entwurf „noch stark verändert werden könnte", den er im übrigen als „ideologisch ein bißchen aufgeladen" bezeichnet, fürchtet die Vorarlberger Landesregierung in ihrer Stellungnahme, daß damit zu weit in die Länderzuständigkeit eingegriffen werde.
Sieht der Entwurf unter den Betreuungsmöglichkeiten für Kinder als einen Punkt die „Unterbringung in Säuglings-, Kleinkinderkrippen und Krabbelstuben" vor, so will der Katholische Familienverband Österreichs hier auch die „Tages- und Pflegemütter" berücksichtigt sehen.
Die Stärkung der Position der Pflegeeltern ist ein wesentliches Anliegen des Gesetzes, die Vorstellungen der Opposition gehen zum Teil noch weiter. Marilies Flemming, Wiener Landtagsabgeordnete und Generalsekretärin der ÖVP-Frauen, wünscht sich eine Anerkennung der Pflegeeltern als Beruf, „auch im Sinn der Sozialversicherung".
Der Grundsatz der ÖVP-Politi-kerin lautet: „Keine Erziehung durch Institutionen!" Ihrer Meinung nach sollte auch im Gesetz klargestellt werden, daß ein „primäres Recht der Kinder" bestehe, von ihren Eltern erzogen zu werden. Nur im äußersten Notfall sollten Krippen, Krabbelstuben und Heime zum Tragen kommen.
Der Entwurf sieht vor, Minderjährige ab Vollendung des zehnten Lebensjahres in Pflegschaftssachen anzuhören, Flemming will dies auch bei kleineren Kindern erreichen. In die gleiche Richtung gehen Wünsche des Familienpolitischen Beirates beim Finanzministerium., der ein Dauerpflegeverhältnis mehr von qualitativen Kriterien (Familienverhältnis) als von zeitlichen (bestimmte Dauer) bestimmt sehen will.
Wie Flemming tritt auch der Obmann der Jungen OVP, Oth-mar Karas, dafür ein, körperliche Züchtigungen zu verbieten und eine gewaltlose Erziehung zu propagieren. So sehr beide sonst staatliche Eingriffe ablehnen — Karas will zum Beispiel das primäre Erziehungsrecht der Eltern wie in Deutschland in der Verfassung verankert sehen — so entschieden befürworten sie diese bei wiederholten körperlichen Mißhandlungen von Minderjährigen.
Prinzipiell wünscht sich der Jugendfunktionär vom neuen Gesetz „mehr Recht für das Kind", egal aus welchen Familienverhältnissen, egal, ob ehelich oder nicht Zu einer .Aushöhlung der Ehe" dürften aber die gesetzlichen Maßnahmen nicht führen.
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