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Digital In Arbeit

Ein Evergreen

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Nicht zum ersten Mal wird eine Arbeitszeitverkürzung diskutiert. Vielmehr erleben wir jetzt die Neuauflage jener Debatte, die schon vor zwei Jahren die Gemüter bewegt hat.

Obwohl damals sogar SPÖ-Kreise mit dem Gedanken gespielt haben, das Thema in den Wahlkampf 1979 einzubringen, wurde der Plan zurückgezogen. Der Grund: Laut Sozialwissenschaftlicher Studiengesellschaft erwarteten sich nur 32 Prozent der Bevölkerung davon einen Beitrag zur Vollbeschäftigung, während 46 Prozent diese Wirkung einer Arbeitszeitverkürzung verneinten.

Der verstorbene Sozialminister Gerhard Weißenberg zählte damals zu den heftigsten Befürwortern der Arbeitszeitverkürzung, sein Nachfolger im Sozialministerium, Alfred Dallinger, gab sich in dieser Frage eher skeptisch. Noch vor dem ÖGB-Kongreß im Herbst 1978 stellte er fest, daß „die Gleichung weniger Arbeitszeit ist gleich mehr Arbeitsplätze eine sinnlose Milchmädchenrechnung ist".

Wörtlich erklärte Dallinger damals: „Das Argument, ich könnte nach einer Arbeitszeitverkürzung die Arbeit auf mehr Leute aufteilen, ist falsch. Das wird durch Rationalisierung oder durch den Druck auf den Arbeitsplatz hereingebracht."

Entschiedene Gegner einer Arbeitszeitverkürzung waren damals auch

ÖGB-Präsident Anton Benya und der seinerzeit in der SPÖ noch recht einflußreiche Vizekanzler Hannes Androsch. In einem Interview mit der „Arbeiter-Zeitung" stellte Benya etwa wörtlich fest: „Kürzere Arbeitszeit würde die Exportindustrie zu sehr belasten."

Und der Vizekanzler widmete gleich ein ganzes Kapitel in einem im April 1978 erschienenen Buch über „Staat, Steuern, Gesellschaft" dem Problem der Arbeitszeitverkürzung. Androsch verwies darin auf die hohen Kosten einer Arbeitszeitverkürzung für Staat und Wirtschaft. Der Staat müßte dann mehr Beamte einstellen, die konsequenterweise nur über höhere Steuern zu finanzieren wären.

„An der letzten Arbeitszeitverkürzung", so rundete Nationalbank-Generaldirektor Heinz Kienzl das Bild ab, „kauen wir immer noch".

Der im Wirtschaftsforschungsinstitut mit Arbeitsmarktfragen befaßte Felix Butschek wies vor zwei Jahren daraufhin, daß eine Arbeitszeitverkürzung in der krisengeschüttelten Stahlindustrie keinen einzigen zusätzlichen Arbeitsplatz erzwingen würde, weil die Kapazitäten dort ohnehin zu wenig ausgelastet sind.

In Branchen mit hoher Kapazitätsauslastung würde eine Arbeitszeitverkürzung dagegen zu einer Verschärfung des Arbeitstempos und damit zu ProKopf-Produktivitätssteigerung führen.

Banken und Versicherungen sind in Österreich jetzt schon heilfroh, wenn alle durch die diversen Rationalisierungsprogramme freigesetzten Arbeitskräfte im Zuge der dazu notwendigen Geschäftsexpansion an anderen

Plätzen wieder eingesetzt werden können. In der übrigen Bürowelt würde eine Arbeitszeitverkürzung nur zu einer Beschleunigung des ohnedies schon recht heftigen Rationalisierungsdrucks führen.

Felix Butschek gibt „einige Voraussetzungen für die Anwendung der Arbeitszeitverkürzung" zu bedenken: zwischen 1970 und 1975 wurde sie bei vollem Lohnausgleich vorgenommen; für die Unternehmen ergaben sich daraus Kostensteigerungen, die durch Produktivitätssteigerungen einigermaßen gedämpft werden konnten. Doch „im Hinblick auf die Entwicklung der Zahlungsbilanz sind künftige Arbeitszeitverkürzungen wahrscheinlich eher als Alternative zu Lohnerhöhungen zu sehen".

Doch selbst bei Lohnverzicht bringt eine Arbeitszeitverkürzung höhere Kosten: zwei Halbtagssekretärinnen kosten eben mehr als eine Ganztagssekretärin. Ähnlich ist es, wenn aus 20 beispielsweise 21 Arbeitsplätze gemacht werden. Denn auch hier werden zusätzliche betriebliche und soziale Ausgaben verursacht.

Zwingender Schluß: Die Unternehmen müssen sich verstärkt um lohnsparende Investitionen bemühen, aus gewerkschaftlicher Sicht würde der Rationalisierungsdruck in die falsche Richtung führen.

Ganz abgesehen davon, daß sich Ungleichgewichte auf dem Arbeitsmarkt unmöglich per Dekret beseitigen lassen: Ein arbeitsloser Bauarbeiter kann jedenfalls nicht sofort als Koch eingesetzt werden.

Wirtschaftsforscher sind davon überzeugt, daß die kollektivvertraglich vereinbarten Arbeitszeitverkürzungen in der Vergangenheit nur zu einem Teil von rationelleren Produktionsverfahren und Arbeitsabläufen abgefangen werden konnten.

Der andere Teil (etwa 40 bis 60 Prozent) führte zu mehr Arbeitsplätzen mit geringerer fachlicher Ausbildung, die schließlich nur mit Gastarbeitern zu besetzen waren. Dieser Tendenz können die Gewerkschaften freilich nur wenig Begeisterung abgewinnen.

Der international angesehene Linzer Wirtschaftswissenschaftler Kurt W. Rothschild hat in der Arbeiterkammer-Zeitschrift „Wirtschaft und Gesellschaft" die Forderung nach Verkürzung der Arbeitszeit als den Ausdruck einer „Politik der Resignation, des Zweifels an einer Möglichkeit, in naher Zukunft Vollbeschäftigung erreichen zu können", abqualifiziert.

Das war im Frühsommer 1978 auch die in der SPÖ vorherrschende Ansicht. Am 17. März 1978 veröffentlichte die Sozialistische Korrespondenz eine Pro-Arbeitszeitverkürzungs-Erklärung des damaligen Sozialministers Weißenberg. Einen Tag später, am 18. März 1978, „ersucht(e) die Sozialistische Korrespondenz, die Meldung über die Arbeitszeitverkürzungs-Erklärung von Sozialminister Weißenberg als gegenstandslos zu betrachten".

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