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Ein Fest fiir fast alle

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Christbaum, Lichter, Geschenke: Was fangen NichtChristen damit an? Die FURCHE hat eine Rundfrage veranstaltet und gibt die dabei erlangten Antworten kommentarlos wieder. Es ging nicht um Bloßstellung oder Herablassung, sondern um Dokumentation. Und wenn dabei herauskommt, daß aus Tradition oder umweltbedingter Gefühlsregung auch Atheisten, Kommunisten und Andersgläubige zu Tannenreis und Kerzen greifen, sollte man weder lächeln noch mit „Inkonsequenz“ argumentieren: Ein Fest, das zur Besinnung ruft, ist nie lächerlich oder inkonsequent...

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Christbaum, Lichter, Geschenke: Was fangen NichtChristen damit an? Die FURCHE hat eine Rundfrage veranstaltet und gibt die dabei erlangten Antworten kommentarlos wieder. Es ging nicht um Bloßstellung oder Herablassung, sondern um Dokumentation. Und wenn dabei herauskommt, daß aus Tradition oder umweltbedingter Gefühlsregung auch Atheisten, Kommunisten und Andersgläubige zu Tannenreis und Kerzen greifen, sollte man weder lächeln noch mit „Inkonsequenz“ argumentieren: Ein Fest, das zur Besinnung ruft, ist nie lächerlich oder inkonsequent...

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„Was Weihnachten bedeutet? Haben Sie nichts Leichteres?“ Albrecht K. Konecny, jüngst als „Hausherr“ Schlagzeilen machender Obmann der Jungen Generation innerhalb der SPÖ, ist auf diese Frage merklich nicht vorbereitet und tastet sich erst einmal mit dieser Gegenfrage und einer negativen Eingrenzung - „Sicher nichts Religiöses!“ -an seine Antwort heran:

„Insofern ist es nicht falsch, wenn man von einer besinnlichen Zeit spricht, weil man von beruflichen Anforderungen für einige Tage befreit ist.“ Die Chance zur Besinnung ist für Konecny aber auch zu einem anderen Datum - etwa im Urlaub - in ähnlicher Weise gegeben.

Im Hause Konecny wird jedenfalls am Heiligen Abend mit einem Weihnachtsbaum (ohne Krippe) und Geschenken gefeiert, denn: „Wenn man Kinder hat, ist das doch ein Anlaß, familiäre Tradition auszuüben.“ Worin bestehen diese familiären Traditionen in erster Linie? Konecny: „In meinem konkreten Fall in Weihnachtsbäckerei.“

Auch Josef Cap, Obmann der gelegentlich gegen den Religionsunterricht Sturm laufenden Sozialistischen Jugend, grenzt zunächst negativ ab: „Weihnachten ist für mich zuerst einmal sicher nicht das, was sich in diesen Wochen im kommerziellen Bereich abspielt - in Wien auf der Ma-riahilfer Straße, auf der Kärntner Straße, in der Fußgängerzone - wo den Leuten eingeredet wird, daß man nur dann Freude schenkt, wenn man möglichst viele Waren und Konsumartikel verschenkt und mit der Familie Urlaube in fashionablen Schiorten verbringt.“

Gefeiert wird bei Cap daher ohne Geschenke und nicht jedes Jahr mit Baum. Den Standpunkt, Weihnachten als religiöses Fest zu betrachten,

respektiert Cap, ohne ihn zu teilen: „Ich brauche keine religiös verordneten Besinnungstage.“ Er begrüßt jedenfalls die soziale Komponente von Weihnachten, das Zusammenkommen mit anderen, einem nahestehenden Menschen, das Sich-Be-wußtwerden des Menschen als Sozialwesen. Das sollte aber seiner Meinung nach nicht nur zu bestimmten Feiertagen, sondern im ganzen Jahr so oft wie möglich stattfinden: „In diesem Sinn könnte für mich jeden Tag Weihnachten sein.“

Eine in seinen eigenen Augen „banale Antwort“, die der Auffassung von Cap sehr nahekommt, gibt der Chefredakteur der marxistischen Zeitschrift „Tagebuch“, Franz Marek. Er erklärt kurz und bündig: „Für mich ist der dem Weihnachtsfest zugrundeliegende Gedanke nicht auf einen Tag reduzierbar.“ Marek feiert daher überhaupt nicht.

Otto M. Fielhauer, Redakteur der „Kronen-Zeitung“ und besser bekannt unter seinem Satiriker-Namen „Habakuk“, braucht sich nicht die von seiner Zeitung derzeit in einzelnen Teilen offerierte Krippe unter den Christbaum zu stellen, denn er hat von seinem Onkel, der Krippensammler war, ein schönes Stück geerbt. Weihnachten findet in seiner Familie aus Tradition, aber ohne Festessen und mit relativ wenigen Geschenken - „die Kinder bekommen während des Jahres laufend, was sie brauchen“ - statt.

Obwohl Fielhauer sich als „Atheisten“ bezeichnet, bedeutet ihm das Fest etwas, und er erinnert sich, vor vielen Jahren in Amerika bemüht gewesen zu sein, am Heiligen Abend irgendwo eingeladen zu werden, um das Fest nicht allein verbringen zu

müssen. Sein Nicht-Glauben-Können, das, wie er betont, nichts mit Gleichgültigkeit zu tun hat, hat er einst in einer TV-„Orientierung“ im Grunde damit begründet, daß er nicht an einen Gott glauben könne, der so viel Leid - wie es etwa im Zweiten Weltkrieg vorgefallen sei - zulasse.

„Auf keinen Fall ein christliches Fest“ bedeutet Weihnachten für den Agnostiker Matthias Ribarek, Geschäftsführer im „Freidenkerbund Österreichs - Institut für wissenschaftliche Weltanschauung“, sondern eher ein „Fest des Kaufens, damit man der Wirtschaft hilft“. Ribarek, der betont, daß seine Vereinigung keine ,Antikirche“ und Atheismus keineswegs Voraussetzung für die Mitgliedschaft sei, sieht auch keinen Anlaß, zu Weihnachten etwa den Frieden oder die Völkerverständigung („Da wäre der 1. Mai geeigneter.“) zu feiern.

Ribarek ist verheiratet, hat aber keine Kinder. Weihnachten wäre für ihn ein Tag wie jeder andere, gäbe es nicht gesellschaftliche Verpflichtungen. So kauft er Geschenke, aber keinen Weihnachtsbaum, und verbringt den Heiligen Abend - ohne festliches Essen - zu Hause. Einladungen von Verwandten und Freunden leistet er Folge, ohne sich dort etwa am Singen von Weihnachtsliedern zu beteiligen.

Kein Tag wie jeder andere ist Weihnachten für den Moslem Ibrahim Mohamed Wazir aus dem Libanon, derzeit Lehrer an der Internationalen Schule in Wien und nach eigenen Worten „keine sehr religiöse Person“. Er feiert mit seiner Familie mit Baum und Geschenken Weihnachten und betrachtet das Fest als einen sehr schönen Feiertag. In seiner Familie, sein Vater ist Moslem, seine Mutter und seine Frau nicht, werden alle Feste gefeiert.

Da Christus auch im Islam als „heiliger Mann“ verehrt wird, sind Weihnachtsfeiern nach Wazirs Aussage auch in seinem Heimatland, dem Li banon, in etlichen Moslemfamilien üblich. Ob gefeiert wird, hängt nicht so sehr vom Grad der Religiosität, sondern von der Einstellung des einzelnen Mohammedaners ab.

Frau Sukhversh Kanwar, deren Gatte der Informationsabteilung der indischen Botschaft in Wien angehört, versichert, daß auch in Indi-

en, wo immerhin über zwölf Millionen Christen leben, Weihnachten ein Fest geworden sei, das nicht nur in christlichen Familien gefeiert wird. Ihre persönliche Meinung ist, daß alle großen Religionen denselben Gott verehren und daher als positiv anzuerkennen seien: „Wir sind für alle Religionen aufgeschlossen, wenn sie nicht mit Fanatismus verbunden sind.“

Das bedeutet, daß natürlich auch in der Hindu-Familie Kanwar in Wien am Heiligen Abend eine Feier mit Geschenken stattfindet und an einem Weihnachtsbaum die Kerzen brennen werden.

Lichter werden am Heiligen Abend auch in der Wohnung des Rabbiners Paul Chaim Eisenberg, des Sohnes des Wiener Oberrabbiners, brennen. Das ist aber reiner Zufall, denn heuer fällt das jüdische Lichterfest „Chanuka“, das an ein Wunder aus vorchristlicher Zeit erinnert, als eine Öllampe im Tempel nicht wie vorgesehen nur einen Tag, sondern ganze acht Tage brannte, mit Weihnachten zusammen. Dieses Fest ist auch mit kleinen Geschenken verbunden.

Weihnachten bedeutet jedenfalls den orthodoxen Juden, zu denen sich Eisenberg unbedingt zählt, nichts, und Chanuka kann auch - als das ältere Fest - nicht als Abart von Weihnachten bezeichnet werden, zumal es acht Tage dauert und auch auf eine andere Zeit im Dezember fallen kann. Freilich, räumt Eisenberg ein, gebe es auch Juden, vor allem solche, die ihren Glauben nicht mehr sehr ernst nehmen, die sich zu Weihnachten einen Baum in die Wohung stellen und einander beschenken, ohne an einen religiösen Charakter dieser Feier zu denken.

„Ich kenne keinen Kommunisten, der nicht Weihnachten feiert“, erklärte Franz Muhri, Vorsitzender der KPÖ und gerade von einem internationalen Treffen in Sofia zurückgekehrt, obwohl die meisten Kommunisten - wie er selbst - nichts Religiöses damit verbinden. Aber „Weihnachten ist in Österreich ein traditionelles Fest, und als Österreicher begrüßen und feiern wir dieses Fest, wie wir auch den Nationalfeiertag feiern“.

Für den Kommunisten ist Weih-

nachten ein Fest des Friedens und der Verständigung, das in der Familie mit Geschenken und einem Lichterbaum begangen wird, aber ohne Lieder oder religiöse Bräuche. Auch in der Redaktion des Parteiorgans „Volksstimme“ und im kommunistischen Globus-Verlag finden Weihnachtsfeiern statt. In den der KPÖ nahestehenden Kinder- und Jugendorganisationen werden ebenfalls Feiern veranstaltet, bei denen auch Geschenke verteilt werden. „Wir sagen aber nicht, daß diese Geschenke das Christkind bringt“, betont Muhri, „sondern bei uns verteilt sie ein Weihnachtsmann.“

Der Versuch, während der letzten Parlamentstage vor Weihnachten eine Stellungnahme von einem Nationalratsabgeordneten zu bekommen, glich der berühmten Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen, war aber immerhin in einem Fall von Erfolg gekrönt.

„Weihnachten? Entspannung, Erholung, geistige Erneuerung, Fest in der Familie, aber ein Graus vor allem, was kommerziell mit Weihnachten zu tun hat. Das Entsetzlichste für mich ist, wenn Mitte November die Weihnachtsbeleuchtung in der Mariahilfer Straße montiert wird.“ So umschreibt FPÖ-Klubobmann Friedrich Peter fürs erste seine Beziehung zu Weihnachten.

Weihnachten ist für Peter „kein äußeres, sondern ein inneres Fest“ und wird mit Christbaum im engeren Familienkreis gefeiert. Geschenke gibt es „in Grenzen“. Weihnachtslieder wurden gesungen, solange die Kinder nicht erwachsen waren. Die richtige Krippe - Kitsch lehnt Peter ab - hat man noch nicht gefunden.

Der FPÖ-Politiker gehört keiner Religionsgemeinschaft an, „es kommt aber nicht selten vor, daß ich in die Mette gehe.“ Warum? „Weil das sicher ein Ort ist, wo man nachdenken kann.“

Das Fest ist für Peter „der idealste Anlaß“ für eine Feier. „Es schließt das Arbeitsjahr, man ist dankbar, daß alles gut vorbeigegangen ist, daß man gesund ist, und hofft, daß das nächste Jahr gut verläuft.“

Weihnachten ist so „Ausdruck der Sehnsucht, für kurze Zeit zurückzukehren in den inneren Bereich der Familie.“

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