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Ein Fest fürs Auge

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Etwa eine Woche vor der Premiere sagte Josef Krips in einem Interview, daß der neue „Don Giovanni“ in der Staatsoper (übrigens die vierte Inszenierung seit 1955) so zu werden verspricht, wie man es sich immer gewünscht, aber nie erlebt hat. Und in der Tat: man hat kaum eine bessere gesehen. Die Qualitäten von Krips als Mozart-Dirigent brauchen hier nicht rekapituliert und gerühmt zu werden. Auch seine Zusammenarbeit mit Franco Zefirelli War vorzüglich. Der weltberühmte Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner gab sein Bestes — und das ist so viel, daß diese erste Premiere unter der Direktion von Professor Rudolf Gamsjäger als „glanzvoll“ bezeichnet werden kann.

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Etwa eine Woche vor der Premiere sagte Josef Krips in einem Interview, daß der neue „Don Giovanni“ in der Staatsoper (übrigens die vierte Inszenierung seit 1955) so zu werden verspricht, wie man es sich immer gewünscht, aber nie erlebt hat. Und in der Tat: man hat kaum eine bessere gesehen. Die Qualitäten von Krips als Mozart-Dirigent brauchen hier nicht rekapituliert und gerühmt zu werden. Auch seine Zusammenarbeit mit Franco Zefirelli War vorzüglich. Der weltberühmte Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner gab sein Bestes — und das ist so viel, daß diese erste Premiere unter der Direktion von Professor Rudolf Gamsjäger als „glanzvoll“ bezeichnet werden kann.

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Die Bühne sieht so aus: Ein (gemalter) geraffter roter Vorhang dient als Rahmen. Den Hintergrund bildet eine Art riesige Jalousie aus Bambusstäben, durch die ein Licht wie von zersplitterten Spiegeln fällt. Das verleiht den meisten Szenen etwas Transparentes, Irreales. — Das erste Bild mit seinen dekorativen Säulen und Baikonen wird von einem mächtigen schmiedeeisernen Gitter abgeschlossen. Besonders prächtig ist der Festsaal mit acht großen (blinden) Spiegeln und einem farbprächtigen, von der Decke herabhängenden Wappenarrangement. Sehr gut gelöst: die Friedhofszene mit dem Standbild des Komturs, der mit dem Rücken zu Don Giovanni (und auch zum Publikum) steht, sich manchmal bedrohlich umblickt, wobei die Augen gefährlich blitzen. Don Giovannis Höllenfahrt dagegen, in glühenden Dampfwolken, ist zu simples Theater. Eine schwierige Szene, wir wissen es, aber sie ist auch Zefirelli nicht gelungen. Von erlesener Schönheit sind die Kostüme. Hier hat er verwirklicht, was er einmal sagte: daß sich in Mozarts Oper vier Kulturepochen spiegeln, von der Renaissance bis zur Romantik. Die Herbstfarben Braun, Rot und Gold dominieren bei den Edelleuten wie im Dekor. Dagegen sind die Kostüme des Landvolks von einer bunten Pracht, wie man sie öfter auf den Bildern der Niederländer als auf denen der großen spanischen Maler findet.

Theo Adam ist weder ein dämonischer noch ein faszinierender Don Giovanni, aber ein großartiger Sänger und ein energisch agierender Schauspieler. (Sein Kostüm war von dem der übrigen Hauptakteure zuwenig unterschieden, obwohl es nicht immer das strahlende Weiß sein muß, das d'Andrade so gut stand und das uns das Gemälde von Slevogt überliefert hat.) Karl Ridderbusch entsprach mit seiner Stimmgewalt voll und ganz den Ansprüchen des Komturs. Ezio Flagello gab dem Leporello weniger humoristische als ordinärkriecherische Züge und sang die Partie vortrefflich. Für das Paar Edith Mathis und Heinz Holecek (Zerline and Masetto) gilt in jeder Hinsicht las Prädikat „ganz reizend!“. Eine ■espektable, wenn auch noch nicht 5anz runde Leistung erbrachte Te-'esa Zylis-Gara als Donna Elvira. Die schönste Stimme des Abends: aeter Schreier, nach Fritz Wunderichs Tod wohl der beste deutsche 3elcantist, der es übrigens auch /erstand, der undankbaren Partie ies Don Octavio ergreifende Züge :u verleihen. In den vielen farbig-:arten Nuancen seines Vortrags ;pürte man den großen Liedersän-»er. Schließlich die junge, aus North Dakota gebürtige Judith Beckmann, die wir zuletzt, während der vergangenen Spielzeit, als in jeder Hinsicht vortreffliche Linzer Arabella gesehen haben. Sie war, mit ihrer hoheitsvoll-anmutigen Erscheinung und dem ausdrucksvollen Spiel, die interessanteste Schauspielerin des Abends, wenn auch der Partie der Donna Anna auf der Bühne der Wiener Staatsoper noch nicht ganz gewachsen. Dieser Eindruck entstand vor allem nach ihrer letzten großen Arie im vorletzten Bild zwischen Friedhofszene und festlichem Abendessen. Dieses Bild ist eine Crux: es hemmt die dem Ende mit Fallgeschwindigkeit zustrebende Handlung und überfordert die meisten Sängerinnen dieser Partie. Man sollte daher die Courage haben, es zu streichen, zumal ja Donna Anna im Schlußcouplet noch einmal gut zum Zug kommt.

Im Ganzen: die bemerkenswerte Leistung eines Ensembles, in welchem niemand die anderen an die Wand spielte. Ihm wie dem klangschön und präzise spielenden Orchester kam die souveräne Leitung durch Josef Krips in jeder Hinsicht sehr zustatten. — Wer diese Produktion gesehen hat, kann sich ausrechnen, daß sie viel Geld gekostet hat. Aber die Staatsoper braucht eine repräsentative „Don-Giovanni“-Inszenierung, die übrigens noch im Lauf des Oktober fünfmal gezeigt wird.

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