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Ein Feuer unterm Kessel der Volkswirtschaft ?

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Der herannahende Winter mit vielleicht bis zu 200.000 Arbeitslosen, eine deutliche Einbuße an wirtschaftspolitischer Kompetenz im Bewußtsein der öffentlichen Meinung und der Wahltag in einem halben Jahr haben die Bundesregierung ein zweites Mal in diesem Jahr veranlaßt, ein Beschäftigungsprogramm vorzulegen.

An den wirtschaftlichen Ergebnissen des letzten Halbjahres gemessen, war das Frühjahrs-Be-schäftigungsprogramm ziemlich exakt jener Flop, der ihm vorhergesagt wurde. Das „Sofortprogramm” zur Errichtung von 5000 Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen hat ebensowenig wie der Baustart zum umstrittenen Konferenzzentrum in Wien-Ka-gran die Krise in der Bauwirtschaft auch nur gemildert.

Hingegen haben die Maßnahmen gegen die Förderung und gegen den Bau von Eigentumswohnungen die Lust privater Investoren stark geschwächt. „Billiges Geld” für die Finanzierung sogenannter „Topinvestitionen” hat nicht die hochgeschraubten Beschäftigungs-, sondern bestenfalls Vorzieh-, wahrscheinlich aber Mitnahmeeffekte ausgelöst.

Das beste langfristige Beschäftigungsprogramm besteht darin, kein kurzfristiges zu haben — allein schon deshalb, weil solche Programme in der Vergangenheit nicht als Feuer unter dem Kessel der Volkswirtschaft gewirkt haben und diese Wirkung auch in Zukunft nicht erzielen werden, sondern wie Feuerwerke, die mit viel Lärm und teurem Schein in der Luft verpuffen. ”

Kürzlich hat die Deutsche Bundesbank eine Untersuchung über die Wirkung zusätzlicher öffentlicher Investitionen auf das ökonomische Geschehen vorgelegt. Das Ergebnis ist.triste: Zunächst setzt der Nachfrageschub einen deutlichen Anstieg des allgemeinen Preisniveaus in Gang, und das schon zu einer Zeit, in der noch in erheblichem Umfang noch unaus-gelastete Kapazitäten vorhanden sind. Am Ende dieses Prozesses, so heißt es in dieser modellhaften Darstellung, zeige sich, daß die Realeinkommen weit weniger stark gestiegen sind als die Nominaleinkommen.

Denn Steuerprogression, steigende Lohnkosten aufgrund der nur vordergründig optimistischen Beschäftigungserwartungen und sinkende Unternehmensgewinne würden dazu führen, daß vor allem private Investitionen immer mehr durch die staatliche Nachfrage verdrängt würden.

Bereits nach dreißig Monaten würden keine zusätzlichen Effekte übrigbleiben und am Ende der Entwicklung würde den zusätzlichen öffentlichen Investitionen ein fast gleich hoher Ausfall an privater Investitionsnachfrage gegenüberstehen. Real gesehen, heißt es in dieser Untersuchung, würde am Ende die gesamte Produktion zurückgehen.

Den ohnedies nur sehr kurzfristigen Beschäftigungseffekten sogenannter Beschäftigungsprogramme stehen auf der. anderen Seite langfristig wirksame Folgekosten gegenüber. Die wesentlichen Elemente der Folgeausgaben bilden die Personalausgaben und die damit zusammenhängenden Verwaltungsausgaben. Ferner sind im Falle kreditfinanzierter Investitionen auch die Zinsausgaben den Folgekosten zuzurechnen.

Je personalintensiver öffentliche Investitionsprojekte sind, desto höher sind die Folgeausgaben. Vieles spricht in diesem Zusammenhang für die Vermutung, daß der Rückgang der Investitionsquote in den siebziger Jahren auch auf jene Folgekosten zurückzuführen ist, die nach dem

Investitions-Schub der späten sechziger und der frühen siebziger Jahre zu verkraften war.

Dies geschah seinerzeit unter dem Motto einer wachsenden öffentlichen Armut und eines steigenden privaten Reichtums. Damals wurden die öffentlichen Investitionen zu Sinnbildern der sozialen Fürsorge und Gerechtigkeit, heute werden sie — und nicht nur von den Vertretern einer an-gebotsseitigen Wirtschaftspolitik — als eine der vielen Ursachen der depressiven Wirtschaftsentwicklung verdammt. Denn letztlich wurden und werden die öffentlichen Investitionen mit immer höheren Abgaben und immer höheren Schulden finanziert.

Das jüngste Beschäftigungsprogramm der Bundesregierung nimmt wenigstens in Ansätzen auf die ohnedies äußerst fragwürdigen Wirkungen zusätzlicher öffentlicher Investitionen und auf das absehbare Elend der Folgekosten Bedacht.

Der budgetären Not gehorchend und nicht dem ideologischen Trieb, enthält dieses Beschäftigungsprogramm einige

Elemente des doch sonst in der sozialistischen Propaganda so verdammten angebotsseitigen wirtschaftspolitischen Kurses ä la Reagan in den USA.

Beispielsweise wird mit 1. Oktober die Investitionsprämie von 6 auf 8 Prozent erhöht, doch auch die Zinsenzuschüsse und Haftungskostenzuschüsse für strukturverbessernde Investitionen und für Investitionen zur Senkung des Energieverbrauches lassen sich zu den angebotsseitigen Maßnahmen dieses Beschäftigungsprogramms rechnen. Die Vorziehung von Investitionen wurde bereits im ersten Beschäftigungsprogramm versprochen, tatsächlich wurde der Bau des Kagraner Konferenzpalastes-be-gonnen, noch ehe das ablehnende Volksbegehren im Parlament ausreichend behandelt wurde.

Das alles soll, auf vier Jahre verteilt, mit einem zusätzlichen Budgetausgabenvolumen von 23 Milliarden Schilling einen Investitionsstoß von rund 170 Milliarden Schilling auslösen und die Schaffung von 30.000 bis 35.000 Arbeitsplätzen garantieren. Belegen läßt sich diese Behauptung ebensowenig wie eine Vorhersage, daß es am 1. April 1983 regnen werde.

Dagegen scheint es, daß der Finanzminister trotz aller gegenteiligen Beteuerungen den Steuerdruck in nächster Zeit verstärken muß, daß die Budgetdefizite weiter steigen werden und daß der Finanzschuldenberg weiter wachsen wird. Diese Entwicklung wird auch in nächster Zeit auf das wirtschaftspolitische Klima drücken.

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