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Ein Finanzierungstrick

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(Un-)Berechtigte Einwände gegen die umstrittene „Maschinensteuer“ wurden in FURCHE 47/1988 zur Diskussion gestellt. Für ihre Kritiker bleibt sie ein „Finanzierungstrick“.

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(Un-)Berechtigte Einwände gegen die umstrittene „Maschinensteuer“ wurden in FURCHE 47/1988 zur Diskussion gestellt. Für ihre Kritiker bleibt sie ein „Finanzierungstrick“.

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In der Pensionsreformdiskussion geht seit Monaten nichts mehr weiter. In dieser festgefahrenen Situation leuchtet immer wieder etwas wie ein Silberstreif am Horizont auf — eine neue Steuer, eine Wertschöpfungsabgabe.

Zugegeben, dieses Projekt einer „Umbasierung“ der Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber entbehrt nicht einer gewissen Faszination: personalintensive Betriebe würden entlastet, damit gewissermaßen automatisch ein Beitrag zur Mittelstandspolitik geleistet, die Schaffung von Arbeitsplätzen erleichtert—kurzum, die Roboter würden einst unsere Pensionen mitfinanzieren.

Bei näherem Hinsehen erweist sich der Wertschöpfungsbeitrag als überaus problematisch, geht es doch nicht darum, ein gleiches Aufkommen auf andere Weise, sondern ein viel höheres Aufkommen zu finanzieren. Alle positiven Aussagen zur Wertschöpfungsabgabe beziehen sich auf ihre Auswirkungen bei Aufkommensneutralität. Gerade das ist aber nicht das Problem der Sozialpolitik: um ein gleiches Aufkommen mit einer ungeheuer komplizierten Einhebungsmechanik zu erzielen, wäre es des Schweißes auch der Tüchtigsten wahrlich nicht wert.

Worum es geht, ist, ein viel höheres Aufkommen zu erzielen, also mit dem Beitragssatz deutlich über der Aufkommensneutralität anzusetzen. Uber die ökonomischen Auswirkungen eines Beitragssatzes unbekannter Höhe können aber nur Spekulationen angestellt werden: die Kapitalkosten würden steigen, Investitionen daher verteuert und reduziert, in der Folge würden sich Wachstumsverluste einstellen, die ihrerseits wieder zu einer Steuererhöhung führen würden, um die Finanzierung der Pensionsversicherung sicherzustellen.

Folgendes Szenario wäre am wahrscheinlichsten: die Wertschöpfungsabgabe wird mit einem Satz eingeführt, der spektakulär niedrig sein kann, weil sich die Bemessungsgrundlage erheblich verbreitert. Der Sozialminister läßt sich feiern, weil er den Wünschen der Wirtschaft nach einer spürbaren Senkung der Lohnnebenkosten nachgekommen ist, Politiker aller Couleurs klopfen sich auf die Schulter, daß sie nun endlich den gordischen Knoten der Finanzierung der Altersversorgung durchschlagen haben, Gewerkschaften, Arbeiterkammer und Sozialversicherungsträger präsentieren eine lange Liste sozialpolitischer Forderungen, die sie bisher nur aus Staatsräson zurückgehalten haben — und binnen weniger Jahre zahlen die Unternehmen wieder den gleichen Beitragssatz wie ehedem, nur jetzt eben auf der Basis der gesamten Wertschöpfung. Mit anderen Worten: die Wertschöpfungsabgabe ist der Versuch, den Arbeitnehmer aus der Finanzierung der Pensionsversicherung politisch freizuspielen und den ungewissen Mehrbedarf der Zukunft einseitig der Wirtschaft aufzubürden.

Ehrliche Proponenten der Wertschöpfungsabgabe sprechen daher auch von einem Finanzierungstrick, mit dem die Wirtschaft gewissermaßen zweimal zur Kasse gebeten werden soll. Sie geben auch zu, daß die Wachstumseffekte potentiell so negativ sein könnten, daß die Wertschöpfungsabgabe nur kombiniert mit einer unternehmensfreundlichen Wirtschaftsoffensive eingeführt werden konnte—davon ist hierzulande allerdings überhaupt nicht die Rede.

Neben den schon erwähnten organisatorischen Problemen (die Wertschöpfung müßte als Besteuerungsgegenstand definiert werden) ergeben sich auch verfassungsrechtliche und wettbewerbspolitische Probleme. Einerseits ist in der österreichischen Bundesverfassung dem Kompetenztatbestand Sozialversicherung ein funktionaler Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung (Einkommen und Pension) immanent, andererseits könnte unsere Wettbewerbsfähigkeit darunter leiden, daß ausgerechnet der Wirtschaftszwerg Österreich eine Steuer einführt, die andere bisher mit gutem Grund vermieden haben.

Der Autor ist stellvertretender Leiter der sozialpolitischen Abteilung in der Bundeswirtschaftskammer.

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