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Ein Finanzminister wird zum PR-Pionier

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Große Koalitionen haben es schon immer in sich gehabt. Die mit dem Vizekanzler Bruno Pittermann zur Mitte der sechziger Jahre ganz besonders. Der SP-Chef war ein großer Stratege und Taktiker - er brachte seine politischen Partner oft gehörig ins Schwitzen - und reizte Männer wie Hermann Withalm mitunter zur Weißglut.

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Große Koalitionen haben es schon immer in sich gehabt. Die mit dem Vizekanzler Bruno Pittermann zur Mitte der sechziger Jahre ganz besonders. Der SP-Chef war ein großer Stratege und Taktiker - er brachte seine politischen Partner oft gehörig ins Schwitzen - und reizte Männer wie Hermann Withalm mitunter zur Weißglut.

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Als Alfons Gorbach als Bundeskanzlerresignierte, und die ÖVP Josef Klaus designierte, da erklärte Pittermann, der Koalitionsvertrag trage die Unterschrift von Gorbach, mit einem neuen Kanzler müßte neu verhandelt werden. So kam es zur längsten Wartezeit einer designierten Regierung in der Zweiten Republik.

Mit in der Warteposition war ein in der Öffentlichkeit bis dahin kaum bekannter Nationalökonom aus der Bundeswirtschaftskammer, Wolfgang Schmitz, Neffe des Wiener Bürgermeisters aus der Zwischenkriegszeit, und mit 43 Jahren der jüngste Finanzminister Österreichs.

Über ihn wird in diesen Tagen viel gesagt - Geburtstage bringen das ja

mit sich. Schmitz, der trockene Experte, der mit marktwirtschaftlichen Grundsätzen zu leben versuchte, obwohl die Ideologie des politischen Partners im Höchstfall Kompromisse zuließ. Schmitz, der Familienpolitiker, mit klaren Vorstellungen bei Lastenausgleich und Steuersystem. Schmitz, der lupenreine Vertreter der christlichen Soziallehre. Schmitz, der

konsequente Budgetleiter, der auch letztendlich von seinen Freunden in die Nationalbank zurückgezogen wurde, weil soviel „genau gewußt, was man will" und soviel Popularität in der zweiten Reihe, das konnte auf die Dauer nicht...

Popularität. Ja, er war ein populärer Finanzminister. Einer, der Finanzämter zusperrte und vor laufender Ka-

mera die Amtsschilder abmontierte, einer, der die Steuerzahler mit eigenen Broschüren über ihre Rechte informierte (sehr zum Leidwesen mancher hochlöblicher Beamter, die der Meinung waren, daß informierte Steuerzahler dem Staat nur Geld kosten). Ein Finanzminister, der sich einen „grünen Wimpel" ans Auto steckte und immer, wenn er damit durchs

Land fuhr, konnte ihn jedermann zum Gespräch anhalten. Ein Finanzminister, der mit eigenen Ausstellungen auf die großen Messen ging, um den Bürgern des Landes Auskunft zu geben, was mit dem Steuerschilling geschieht. Ein Mann der trockenen Zahlen, des Rechenstiftes, der gerne unter die Leute ging.

Er hatte in Amerika studiert und die Techniken der Öffentlichkeitsarbeit gelernt. Auf der Wartebank, auf die ihn Bruno Pittermann verbannt hatte, bereitete er sich nicht nur darauf vor, wie sein Amt zu führen sei, sondern auch darauf, wie man die ganze schwere Arbeit auch entsprechend „unter die Leute" bringt.

Als er Helmut Steinacker, den legendären Pressechef der Wirtschaftskammer, um die Namen vor ein paar Journalisten fragte, die als Pressereferenten in Frage kommen könnten -da nannte er unter anderem mich. 29 Jahre und damals gerade frischgebak-kener Chefredakteur-Stellvertreter des ÖVP-Pressedienstes. Die Aufgabe war faszinierend. Schmitz gründete die erste Public-Relations-Abteilung in einem Ministerium - ein PR-Pionier.

Er wußte, was er wollte ...

Öffentlichkeitsarbeit war bisher ein lästiges Anhängsel in den öffentlichen Ämtern. Jetzt stand auf einmal ein Minister dahinter. Das Beispiel machte rasch Schule. Landwirtschaftsminister Karl Schleinzer engagierte Hans Paul Strobl, Bundesminister Vinzenz Kotzina Ewald Kühne und so weiter.

Es war eine für mich tolle Zeit. Ein Minister, der wußte, was er wollte und es auch über lange Zeit durchsetzen konnte. Ein Team, das rundherum zusammenwuchs und bis heute befreundet ist. Rudi Horak, der Bürochef, Charly Sochor, das volkswirtschaftliche Gehirn und Gewissen (heute Universitätsprofessor in Innsbruck), Hubert Braunsperger, der Routinier für die Sachinformation, die Krista Fellner - das Büro, das Präsidium, die meisten Sektionschefs. Einer, der Illoyalität auch nach entsprechender Warnung nicht aus seinem Repertoire strich, der muß gehen. Wer hat schon je einen Sektionschef seines Postens enthoben?

Wir waren viel unterwegs damals und haben mit Freude schwer gearbeitet. Der Minister nahm sich Zeit für die Menschen und die Medien.

Seine Popularität war an jenem Abend deutlich meßbar, an dem die Volkspartei 1966 die absolute Mehrheit bei den Nationalratswahlen erhielt. Tausende Menschen hatten sich vor der Parteizentrale in der Kärntnerstraße versammelt. Von überall waren sie gekommen, viele hatten Fak-keln mitgebracht. Josef Klaus warder Held. Aber auch als Schmitz den Balkon betrat, war der Jubel fast ebenso groß. Im Überschwang der Freude hat Vizekanzler Fritz Bock seinem Freund Wolfgang den Hut vom Kopf gerissen und ins Publikum geschleudert...

Alles Gute zum Geburtstag, Herr Chef!

Der Autor ist Generalsekretär des ORF.

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