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Ein ganz neuer Makarios

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Die einseitige Ausrufung eines unabhängigen Staates der Zypern- Türken hat auf der Insel zu einer, neuen explosiven Lage geführt, die nichts Gutes verspricht. Das Bedauerliche daran ist nämlich, daß sich ein gemäßigter Kurs der griechischen Mehrheit abzeichnete, als Türkenführer Denktasch seinen „Staat“ gründete.

Zwei Monate nach der Rückkehr des vom griechisch-nationalen Juli- Pu’tsch vertriebenen Erzbischof-Präsidenten Makarios, der am 6. Dezember mit Bart und Talar wie ein neuer St. Nikolaus auf seine inzwischen von der türkischen Invasion und unsagbarem Flüchtlingselend heimgesuchte Insel wiedergekehrt ist, gibt es keinen Zweifel mehr daran, daß sich der streitbare Prälat in vielem und zum Guten gewandelt hat. War er in seiner vierzehnjährigen Amtszeit als Oberhaupt der Republik Zypern und noch mehr bei seinem viel längeren Wirken als Erzbischof und „Ethnarch“ der griechisch-orthodoxen Volksgruppe nicht von der schweren Mitschuld an der zunehmenden Misere der zypemtürkischen Minorität und der politischen Zerrissenheit seiner eigenen Volksgenossen freizusprechen, so hat er sich seit dem Jahreswechsel als ein ganz neuer Makarios vorgestellt. Damit kann auch keine Rede mehr von seinem nur vorübergehenden Auf- - enthalt in Nikosia sein, wie das ursprünglich Türken, griechische Opposition und selbst der ehrgeizige „Kronprinz“ des Erzbischofs, der Übelgangspräsident Glavkas Kleri- dis, in sonst nie dagewesener Einmütigkeit gewünscht und propagiert hatten. Makarios ist wieder eine feste und bestimmende, und dabei heute besonders wertvolle Größe der zypriotischen Politik geworden.

Zwar ist es ihm bis heute nicht gelungen, den tiefen Zwiespalt innerhalb der zyperngriechischen Mehrheit zu überbrücken. Die geplante „Regierung der nationalen Einheit“, die eine aus den Leiden unter dem Diktaturregime der „nationalen Wohlfahrt“ gereifte

Koalition von Makarios-Anhängern, Fortschrittlichen, Liberalen und dem kommunistisch geführten Linksblock werden sollte, ist nur zwischen den beiden ersten Gruppen unter Hinzunahme parteiloser Fachleute zu- standeigekommen. Zwar hatten sich auch die Kommunisten und die von Makarios’ Leibarzt Dr. Lyssaridis geführten Linksliberalen zur Stellung von Ministem bereiterklärt, doch waren ihre Bedingungen dafür von Kleridis zuirückgewiesen worden, der die „Einheits-Partei“ führt, die ursprünglich hinter Makarios stand. Der konservative Kleridis begründete seine Weigerung mit der explosiven sozialen Lage in einem Land, dessen halbe Bevölkerung seit August 1974 in Flüchtlingslagern lebe. Die Misere und Stimmung in diesen begünstige ohnedies schon die linksradikalen Kräfte, für die eine Regierungskoalition nur die erste Stufe zur vollen Machtergreifung wäre.

Immer weniger scheint man sich hingegen in Nikosia von der diplomatischen Unterstützung Griechenlands zu erwarten, dessen erste demokratische Regierung nach sieben Diktaturjahren ganz mit ihren internen Problemen beschäftigt ist. Starken und positiven Widerhall hat auf

Zypern hingegen der Plan des griechischen Oppositionsführers Mavros für ein „Schweizer Kantonsmodell“ auf der Insel gefunden. Dieses würde die Rückkehr aller griechischen und türkischen Flüchtlinge auf die Wohnsitze vorsehen, die sie vor der Landung der Truppen Ankaras hatten. Die islamisch-türkischen Siedlungsräume würden dann zu autonomen Kantonen mit weitgehender Selbstverwaltung, eigener Polizei, Schulwesen und Lokalbehörden erhoben werden. Die Bundesregierung in Nikosia, bei der die Verantwortung für Außenpolitik, Verteidigung, Wirtschaft und andere gesamtzypriotische Belange verbliebe, sollte proportionell aus Griechen und Türken zusammengesetzt sein.

Die Akzeptierung einer solchen Regionalautonomie durch die griechische Seite stellt einen wesentlichen Fortschritt in Richtung Zypemfrieden dar, nachdem sich Makarios seit 1963 gegen eine solche Forderung der Minderheit gesträubt hatte. Nun wäre auch die türkische Seite, die vorläufig noch den ganzen Norden der Insel als souveränen Staat beansprucht, gut beraten, wenn sie ihrerseits Konzilianz zeigte, es sei denn, daß sie Zypern zu einem zweiten Palästina machen will.

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