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Ein Gehäuse für Wunder

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Nach fünfjähriger Bauzeit haben die Kölner nun ihr Museums-Wunder: das Wallraf-Richartz Museum und das Museum Ludwig sind nun, an einem städtebaulich riskanten Platz, unter einem Dach vereint.

Das neue Gebäude von Peter Busmann und Godfrid Haberer klemmt sich in den freien Raum zwischen Kölner Dom, Römisch-Germanischem Museum und dem Rhein. Vom Fluß aus sieht das umfangreiche Bauwerk mit seinen zackigen Sheddächern wie ein Dinosaurier aus, der sich kurz auf eine Rast niedergelassen hat.

Der Kontrast zur Fassade des Kölner Doms ist reizvoll, der rot gepflasterte Heinrich Böll-Platz lädt zum Verweilen und Fotografieren ein, und der museumsscheue Tourist kann sich durch eine große Glasfläche Einblick in das imposante Stiegenhaus mit den kontrastierenden Bildern verschaffen.

Auf vier Geschosse aufgeteilt, sind hier die weltweit berühmten Schätze des Wallraf-Richartz Museums (Schwerpunkt mittelalterliche Malerei) sowie die großartige Sammlung Ludwig mit Werken des 20. Jahrhunderts zu sehen. Unter all diesen Ausstellungshallen befindet sich der zweitausend Plätze umfassende Saal der Kölner Philharmonie, der — über die deutsche Gründlichkeit geht nichts - exakt drei Zentimeter unter dem mittleren Rheinwasser liegt. Der Raum ist, weil ja die Rheinschiffe und der naheliegende Bahnhof für einen nicht unbeträchtlichen Geräuschpegel sorgen, in eine doppelscha-lige, extrem schallisolierende Betonwanne gebettet,

Rund zwei Milliarden Schilling hat das Bauwerk am Rhein gekostet, aber das sieht man ihm eigentlich nicht an, weil mit herkömmlichen, eher einfachen Materialien gearbeitet und jede Protzerei vermieden wurde.

Die riesige Eingangshalle wirkt ganz unprätentiös. Mehrere Kassen, an denen die Deutschen diszipliniert Schlange stehen, ein paar Spiegelleisten an der Decke, Säulen, die nicht allzu postmodern geformt sind, und ein schöner roter Klinkerboden - das wirkt einladend und familiär. Das riesige Stiegenhaus, dessen Konturen mit Neonröhren nachgezogen sind, wird von großen Barockbildern, einem ebenso gigantischen Gemälde von Fernand Leger und — ganz oben — von einer Figur von Niki de Saint Phalle dominiert. Eine Kombination, die nicht imbedingt glücklich ist: allzu hart stoßen hier die Kontraste aufeinander; das erzeugt Unruhe.

Aber die Mittelalter-Abteilung! Welch ein Vergnügen, unter dem exzellenten Oberlicht diese herrlichen Tafelbilder, diese Altäre von vorne und von rückwärts ausgiebig betrachten zu können. Man hat sich hier wie überall in diesem Haus sehr erfolgreich bemüht, keinerlei Distanz zwischen Kunstwerk und Betrachter zu lassen. Das hat auch seine Nachteile: die deutschen Schulkinder, die hier in Scharen durchwandern und offenbar als Hausaufgabe Fragebögen ausfüllen, tapsen schon einmal ganz ungeniert auf die Bilder, um herauszubekommen, wie sich das so anfühlt.

Die den Bildern beigegebenen Tafeln informieren nicht nur über den Künstler und die Entstehungszeit, sondern bringen in Stichworten auch noch anderes Wichtiges, sodaß sich für den Nichtf achmann das Mitschleppen eines dickleibigen Katalogs erübrigt.

Immer wieder öffnet sich überraschend ein Lichterker mit Ausblick auf die Ostseite des Kölner Doms, in intimen Nischen strömen Bilder von Präraffaeliten eine schwüle Erotik aus, und die Dachgärten sind zum Glück nicht mit Grünzeug verhübscht, sondern - sehr spärlich — mit einigen Skulpturen ausgestattet. Bei der Wanderung durch das Museum kann man einzelne Kojen links und rechts der „Hauptstraße“ ohne weiteres links liegen lassen. So wird ein selektiver Rundgang möglich, der sich nach den besonderen Interessen des einzelnen richtet.

Schwer verständlich und nicht gut gelöst sind hingegen die Ubergangszonen vom Treppenhaus zu den einzelnen Trakten. Hier wechselt der angenehme rote Klinker unvermittelt zu kleinwürfeligem Parkett. Man fühlt sich wie in eine gute saubere Bürgerstube versetzt -das wird der Atmosphäre, die die Kunstwerke erzeugen, nicht gerecht.

Was an diesem Museum am meisten beeindruckt, ist die großartige Lichtführung durch die Sheddächer, deren Rippen manchmal durch Neonröhren verstärkt werden. Es stimmt, daß dieses Licht nicht jenes ist, das in den Kirchen einst die Altarbilder in mystisches Dunkel getaucht hat, aber dafür kann man nun diese oft comic-strip-artigen Erzählungen, diese Menschen in ihrer exzentrischen Gewandung von Angesicht zu Angesicht studieren.

Achttausend Quadratmeter stehen zu Verfügung, um all das auszustellen, was vorwiegend der Kunstsinn reicher Bürger der Allgemeinheit vermacht hat. 980 Quadratmeter umfaßt der von beiden Museen genutzte Wechselausstellungsbereich — eine gigantische Fläche, die ohnehin nur in mehreren Besuchen begehbar ist. Das Museum bietet eine städtebaulich mutige, architektonisch nicht wirklich bedeutende Lösung, die in dieser Form nur in der Bundesrepublik möglich ist. Man stelle sich vor, was in Österreich los wäre, wenn man dem Stephansdom mit einem solchen Bau zu Leibe rücken wollte!

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