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Ein Gotteshaus in neuem Glanz

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Man muß die Feste feiern, wie sie fallen. Wenn einst der Babenberger-herzog Leopold V. am Ende des 12. Jahrhunderts die Stadt nova civitas -Wiener Neustadt - gründete und den Grundstein zu ihrer Kirche legen ließ und nach achtzig Jahren Bauzeit 1279, schon unter der Herrschaft der Habsburger, der Dom geweiht wurde, dann kann dies 700 Jahre später gerne als „Aufhänger“ dienen, nicht nur das Gotteshaus selbst in neuem Glanz erstrahlen zu lassen, sondern auch ein Jahr lang ein verstärktes Angebot zur Besinnung vorzulegen.

Geschichte, Gegenwart und Zukunft sollen intergriert werden. „Kirche für uns“ lautet das Motto. „Kirche - das ist mehr als steingewordene Geschichte“, schreibt der Bischofsvikar für das Südvikariat der Erzdiözese Wien und Pfarrer an der jubüie-renden Propsteipfarre, Weihbischof Florian Kuntner, im Geleitwort des Prospektes für das Jubiläumsjahr. „Kirche bedeutet Gotteshaus ebenso wie Gemeinschaft aller, die im Glauben Christus, den Auferstandenen, erfahren, seinen Namen anrufen und dadurch Heil erlangen.“

Die „steingewordene Geschichte“ hat in diesen sechs Jahren, da die Restaurierungsarbeiten laufen, eine Menge unbekannter oder vergessener Details freigegeben. So wußte man zwar, daß das Herz des Kardinals Klesl, des umstrittenen Beraters zweier Kaiser am Vorabend des Dreißigjährigen Kriegs, im Dom von Wiener Neustadt beigesetzt worden war. Aber erst jetzt fand man die Kapsel, unterzog ihren Inhalt einer eingehenden Untersuchung, fand das Herz erstaunlich gut konserviert und setzte es wieder im Hochaltar bei.

Fresken wurden freigelegt und gerettet, Grabplatten identifiziert, die

Basis der Säulen wieder freigelegt, die berühmten Apostelfiguren hergerichtet. 16 Millionen mußten für die Totalrenovierung aufgebracht werden. Bundesdenkmalamt, Land, Stadt halfen mit. Eine Haussammlung erbrachte zwei Millionen. Vier Millionen sind noch offen und müssen gedeckt werden.

Weihbischof Kuntner rechnet mit der Hilfe der Besucher, die von der Landesausstellung und den Festveranstaltungen nach Wiener Neustadt geholt werden. Von Mai bis Oktober präsentiert sich in einem - durch eine Glaswand vom Kirchenschiff abgeteilten - Raum des Doms und der danebenstehenden Kirche St. Peter an der Sperr „die Zeit der frühen Habsburger“ mit einer Darstellung der Dome und Klöster aus der Zeit von 1279 bis 1379. Hierzu werden auch eine Sonderbriefmarke und eine 100-Schilling-Silbermünze vorbereitet, Parallel hierzu stellt sich im Bü-dungshaus St. Bernhard die „Kirche heute“ vor, zeigt ihre geschichüiche Entwicklung, das heutige Wirken im Viertel Unter dem Wienerwald, aber auch in der Dritten Welt ihr Sicht-

barmachen in der modernen Kunst, ihre Forderungen an alle zu persönlichen Entscheidungen aus dem Glauben.

Das wird der zweite Schwerpunkt dieses Jahres. Es begann schon am ersten Adventwochenende mit einem Sternmarsch aus einem halben Dutzend umliegender Gemeinden zum Dom, um an die Verfolgung von Christen im europäischen Osten, aber auch in Brasilien und Guinea zu erinnern, für sie zu beten und die Menschen zur Solidarität aufzufordern.

Eine Vortragsreihe beginnt am 25. Jänner mit Mario von Galli S J, der die Auswirkungen des Konzils auf die heutige Lage der Kirche skizzieren und das Bild einer Kirche von morgen entwerfen wird. Wolfgang Beilner (Salzburg) befaßt sich in der Osterwoche mit der „Überzeitlichen Forderung des Evangeliums an die Christen“. Der Kapuzinerpater Walbert Bühlmann (Rom) behandelt am 17. Mai die Dritte Welt und ihre Herausforderung für uns. Heribert Mühlen (Paderborn) beschäftigt sich am 7. Juni mit dem Wirken der charismatischen Bewegungen. Gerhard Lohfink (Tübingen) schließt den Zyklus am 27. September mit der Feststellung „Jesus - einmalig und unüber-holbar“.

Der Dritten Welt gilt auch ein Seminar, das an den Vortrag von P. Bühlmann anschließt. Hier sollen die Aktivitäten des „Arbeitskreises Dritte Welt“ des Vikariates neue Akzente erhalten. Dieser Arbeitskreis unter der Leitung von Friedrich Giglinger hat von Februar 1977 bis August 1978 mehr als eine halbe Million Schilling aufgebracht, womit ein Dutzend konkreter Hilfsprojekte in Afrika, Asien und Südamerika finanziert werden könnte. Der Arbeits-

kreis will vor allem der Bewußtseinsbildung dienen und Informationen über die Dritte Welt weitergeben. Verbunden damit ist das Bemühen um einen neuen Lebensstil und das Eintreten für die Menschenrechte. Diesem Anliegen soll auch der Fastenkalender dienen, der nach dem großen Erfolg im Vorjahr nun neu aufgelegt wird.

Der Stichtag des Jubiläums - der Tag der Einweihung 1279 - ist der 27. März. An diesem Tag wird Kardinal Josef Ratzinger aus München als Rechtsnachfolger des einstigen Chiemseer Bischofs, der die Einweihung vorgenommen hatte, den Festgottesdienst zelebrieren. Die übrigen Feiertagsgottesdienste während des Jubiläumsjahres haben Kardinal König (8. Dezember), die Erzbischöfe Berg (1. Mai) und Jachym (24. Mai), Bischof Zak (15. August), die Weihbischöfe Krätzl (6. Jänner) und Moser (1. November) übernommen. Zu Ostern, Pfingsten (mit Übertragung im ORF) und zum Schluß am 25. Oktober zelebriert der Hausherr Weihbischof Kuntner.

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