7226843-1993_48_09.jpg
Digital In Arbeit

Ein großer Moraltheologe

19451960198020002020

Bernhard Häring hat sich mehrfach kritisch gegenüber dem Lehramt der Kirche geäußert. Im folgenden zwei Stellungnahmen zu den jüngsten Aussagen des Theologen.

19451960198020002020

Bernhard Häring hat sich mehrfach kritisch gegenüber dem Lehramt der Kirche geäußert. Im folgenden zwei Stellungnahmen zu den jüngsten Aussagen des Theologen.

Werbung
Werbung
Werbung

Bernhard Häring, einer der angesehensten Moraltheologen spricht einige Themen direkt und präzise an, die für viele Menschen in aller Welt von großer lebenspraktischer Bedeutung sind, wie zum Beispiel die natürlichen Zwecke der Ehe und die Irrtumsfähigkeit des Papstes.

Den „tausendmal wiederholten” Satz aus der Ehe-Enzyklika „Hu-manae vitae” (1968) zitiert Häring als aktuelles und gefährliches Beispiel dafür, wie „ein bloßes Wiederholen und Einhämmern uns fremder Denkmodelle” ein „Verrat an unserem heilsgeschichtlichen Auftrag” ist. Der Satz: „Jederj eheliche Akt muß offen auf Zeugung hin (sein)” ist tatsächlich ein bezeichnender Kernsatz der durch Jahrhunderte hin vorherrschenden (doch nicht alleinigen!) Ehemoral der Katholischen Kirche.

Dahinter sieht Häring die Auffassung, daß der Sexualakt auch in der Ehe an sich beschämend und erniedrigend sei. Er verweist auf Augustinus, der sogar präzisierte, daß die Eheleute selbst dann, wenn sie im ehelichen Akt allein die Weitergabe des Lebens bezwecken, „sich nur mit Widerwillen so weit herablassen sollen”, da ja die Notwendigkeit eines Sexualaktes zur Fortpflanzung nichts anderes sei als eine Strafe für unseren Stammvater Adam! (S. 16 f.)

Daß sich in der Sexualmoral der Apostel Paulus und später des Heiligen Augustinus Leibfeindlichkeit in aas Christentum eingefärbt hat, dürfte heute von niemandem mehr bestritten werden. Was Häring in Erinnerung bringt, ist, daß auch diese Sicht in der Kirche Tradition hat und daß große Kirchenväter und Theologen anders dachten: „Der eheliche Akt ist als solcher, nämlich als Ausdruck der gegenseitigen Hingabe, gut und ehrbar.”

Der eheliche Akt ist schon allein für sich sinnvoll: Dem Partner Freude zu machen, damit die Zuwendung zu vertiefen und die gegenseitige Bindung zu festigen. Die Natur selbst demonstriert dies an der Tatsache, daß es nur wenige Tage des Jahres sind, die beiden Zwecken dienen können.

Ein durchbruch

Nach Häring kam diese Sicht im Zweiten Vatikanum mit der Feststellung zum klaren Durchbruch, daß Ehe und eheliche Lieben in ihrer Gesamtheit und nicht mehr mit jedem einzelnen ehelichen Akt auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft ausgerichtet sind. „Man kann und darf,” so meint Häring, „eine unglückliche Lehrformulierung nicht trotz gegenteiliger geschichtlicher Einsichten und neuer Erkenntnisse einfach weiterschleppen durch gekünstelte Auslegungen, die niemand versteht”

Daß diese Mißdeutung mit dem Willen Gottes gleichgesetzt wird, ist einfach ein Irrtum, der in den Grenzen menschlichen Bemühens seine Erklärung findet - und „der Mensch ist der Weg der Kirche” (Johannes Paul IL).

Gefährlich für die so großartige Heilsbotschaft der Kirche ist das Insistieren darauf dann, wenn es in scheinbar unlösbarer Einheit mit wirklich unverzichtbaren Werten vertreten wird: der Dauerhaftigkeit und Verläßlichkeit einer partnerschaftlichen Beziehung in rechtlich geordneten Formen, dem Schutz des ungeborenen Lebens, der Bejahung der Lebensfreude auch im Geschlechtlichen, der Rücksicht auf die körperlich-geistige Gesundheit...

Häring plädiert daher für eine stärkere Einbindung des Papstes in die Kollegialität der Bischöfe. Die Erfahrung lehrt, daß sich der Heilige Geist, auf dessen Wirken der gläubige Christ bauen kann, auch hervorragender Bischöfe, großer Moraltheologen, heiliger Ordensfrauen bedient hat. Alfons von Liguori war Bischof, Kirchenvater und Ordensgründer, ist Patron der Moraltheologie und wird auch vom Autor der jüngsten Moralenzyklika so sehr geschätzt, daß er diese anläßlich der 200. Wiederkehr des Todestages des großen Heiligen angekündigt hatte.

Härings Publikation ist eine der dichtesten Aussagen dieses imponierenden Autors. Eine optimistische Extrapolation der bisherigen Entwicklung der Kirche in die Zukunft wird in einen fingierten Hirtenbrief Johannes XXIV. gekleidet.

Es geht auch anders.

Plädoyer für eine neue Umgangsform in der Kirche. Von Bernhard Häring. Verlag Herder, Freiburg 199). 96 Seiten, ös ISS.-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung