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Ein großes Experiment

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Die Autorin, Jahrgang 1910, hat den heroischen Versuch, dieses einzigartige Experiment eines sozialistischen Erziehungsmodells miterlebt, mitgetragen. Eine Erzieherschule, Wien, 1919, die im hungernden Wien neue Menschen bilden wollte.

Der Arbeiterverein „Kinderfreunde” wagte dies, damals. Konkret: ein 25-jähriger Mann, Otto Felix Kanitz, übernahm die Leitung der Erzieherschule in Schönbrunn, ohne Geld, ohne Stützung, ohne materielle Absicherung (fern, das heutige Subventionswesen), gestützt allein auf seinem sozialistischen Glauben, der seinen katholischen Glauben, erworben im Waisenhaus bei dem Redemptoristen Franz Tendier, zur Basis hatte.

Ein Sohn einer unglücklich christlich-jüdischen Ehe, ein Suchender, der dann durch Wilhelm Jerusalem von seiner katholischen Haltung, die aber lebenslang in ihm seelisch „arbeitet” gelöst wird und zu einem sehr persönlichen Glauben an einen sozialistischen Humanismus geführt wird.

Die verdiente Autorin erinnert, sehr eindrucksvoll: Gläubige waren sie, diese jungen Sozialisten... Und im Ausklang ihres Berichts stellt sie sich selbst nochmals die Frage: ob man ohne Religion erziehen könne; sie erinnert an einige Sozialisten, Sozialdemokraten, die diese Frage im Besonderen, und die große Frage — Sozialismus und Religion, Sozialismus und Christentum — nicht verpönten, als obszön abwehrten.

Kanitz starb in Buchenwald 1940. Sein großes Experiment ist heute nachdenklich zu erinnern: von Sozialisten und von Christen.

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