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Ein Gutachtenstreit um den Donau-Strom

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Einigkeit dürfte zwischen Gegnern und Befürwortern der Donaustaustufe Wien-Freudenau nur in einem Punkt bestehen: Die Situation der Donau und der durch ihre unterirdischen Begleitwässer durchströmten Gebiete, nicht nur im Wiener Bereich, sondern auch in der östlich davon gelegenen Region, ist im höchsten Maße unbefriedigend.

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Einigkeit dürfte zwischen Gegnern und Befürwortern der Donaustaustufe Wien-Freudenau nur in einem Punkt bestehen: Die Situation der Donau und der durch ihre unterirdischen Begleitwässer durchströmten Gebiete, nicht nur im Wiener Bereich, sondern auch in der östlich davon gelegenen Region, ist im höchsten Maße unbefriedigend.

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Diese Situation zwingt zum Handeln. Aber schon über das Wie gibt es keinen Konsens mehr. Die Gespräche haben als verbindendes Element die Befragung der Wiener Bevölkerung, die sich mit Mehrheit für den Bau einer Staustufe Freudenau ausgesprochen hat. Kraftwerksgegner halten die Abstimmung für eine Farce, da die Informationsgrundlagen für die Bevölkerung zu dürftig gewesen seien. Die Befürworter halten nicht nur die Information für ausreichend, sondern das zustimmende Votum für ein Bekenntnis zur Bereitschaft, den jährlichen Mehrbedarf an elektrischer Energie zumindest teilweise im Inland zu produzieren. Das Kraftwerk Freudenau soll jährlich etwa eine Milliarde Kilowattstunden Energie liefern.

Ungeachtet der Energiediskussiorf, die unüberschaubare Papierberge hervorgebracht hat, geht die Sohlenerosion der Donau weiter. Diese ist Folge eines Wirkungsgefüges der gegebenen Geofaktoren, die durch menschliche Eingriffe noch verschärft wurden und deren Auswirkungen bis heute unvermindert andauern.

Entscheidend war die Regulierung der Donau mittels eines Durchstichs in den Jahren 1870 bis 1875. Ein Hauptarm und ein höher gelegenes Flußbett für Hochwässer, das Inunda-tionsgebiet, brachte das seinerzeitige System mit unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten zum Verschwinden. Die fächerförmige Aufteilung der Donau nach Nußdorf auf ein fünf Kilometer breites System wurde durch ein lineares Flußbett ersetzt. Dadurch wurde die Fließgeschwindigkeit des Wassers erhöht, was zu einer Sohlee-intiefung führte.

Die Donau hat - was ihre Fließgeschwindigkeit und ihre Transportkapazität betrifft - Gebirgsflußcharak-ter. So bewegt sie jährlich ungefähr 350.000 Kubikmeter Material unterschiedlichster Körnung. Die Errichtung der Staustufen verhindert diesen ungehemmten Transport. Reduzierte Fließgeschwindigkeit führt zwar zur Ablagerung, das Wasser nach dem Stau gräbt sich tiefer ein.

Im Wiener Bereich ist die Eintiefung weit fortgeschritten. Die Situation ist für den Grundwasserbereich längst schon unbefriedigend. So zeigt der rechtsufrige Prater (seit 1990 teilweise zum Landschaftschutzgebiet erklärt) und die linksufrige Lobau (1978 als schützenswert erachtet) eine generelle Tendenz in Richtung Trockenfallen, was sich auch bereits in der aktuellen Vegetation erkennen läßt.

Die bewilligten Wasserstände der Neuen Donau (im Volksmund Entlastungsgerinne) werden im Regelfall nicht erreicht, sodaß auch dort eine unbefriedigende Situation eintritt. „Dies vor allem in Hinblick auf die künftige mögliche Nutzung des Donauinselkörpers fürTrinkwasserzwek-ke (zusätzliche Beeinträchtigung der Wasserstände in der oberen Stauhaltung der Neuen Donau) und einer angestrebten Entnahme von Wasser aus der Neuen Donau zum Zwecke einer Dotation der Oberflächenwas-ser der Lobau", wie im „Gutachten Naturschutz und Landschaftschutz" zum Kraftwerk Freudenau von der Wiener Magistratsabteilung 22, Referat 3, vom 5. März 1992 steht.

Diese Probleme verspricht die Donaukraftwerke AG (DOKW) durch begleitende Maßnahmen zu lösen. Der Mittelwasserstand im Wiener Bereich, der sich seit der Jahrhundertwende um einen Meter gesenkt hat, würde durch den Stau mehr als wettgemacht, ein Dotationssystem würde zu einer Verbesserung des Wasserhaushalts nicht nur in der Lobau und im Prater, sondern auch im 2. und 20. Bezirk Wiens führen. Weiters werde es durch den Aufstau möglich, den Marchfeldkanal bei Langenzersdorf durch ständig freies Einfließen ohne zusätzlichen Pumpenbetrieb mit der nötigen Wassermenge zu versorgen.

Dem halten Kritiker entgegen, dies sei nur dann möglich, wenn es tatsächlich gelänge, in ein äußerst kompliziertes Grundwassersystem eine gewaltige Wanne einzubauen, in der sich der komplette Stau befindet. Und für solch ein Unternehmen fehlten nicht nur die Erfahrungen. Das sieht die DOKW anders: Anhand mehrerer hundert Meßstellen sei das Grundwassersystem erforscht. Auch dem Einwand, daß die geplanten Dichtwände nicht in der Lage seien, tatsächlich für Wasser undurchlässig zu sein, läßt die DOKW nicht gelten. Dichtwände seien an der Donau wiederholt errichtet worden, ihre Zuverlässigkeit, lasse keinen seriösen Zweifel zu.

Am 22. März 1992meinteUmwelt-Schützer Bernd Lötsch bei einer Pressekonferenz der Grünen, zahlreiche ökologische Fragen seien noch ungeklärt, weshalb das Kraftwerk Freudenau noch nicht baureif sei. Unter anderem verwies Lötsch auf die drei Do-naubarscharten, die in ihrem Bestand durch den Stau bedroht wären.

Dem steht allerdings eine Untersuchung der Wiener Universität für Bodenkulturgegenüber.die nachweist, daß diese Barscharten in den Stauräumen der Donau durchaus einen gesicherten Lebensraum finden. Was die Zerschneidung ihres „Wohngebietes" durch Staudämme bedeutet, ist allerdings unklar.

Die Wasserbereiche zwischen den einzelnen Staustufen lassen sich aber durch „Fischaufstiegshilfen" verbinden. Diese Technik ist auch bereits seit den zwanziger Jahren bekannt. Als Beispiel einer funktionierenden Fischaufstiegshilfe ist der Gießgang Grebenstein zu erwähnen. Eine Studie von Matthias Jungwirth und Stefan Schmutz aus dem Jahr 1988 besagt, daß dort eine „prinzipiell funktionstüchtige Anlage" errichtet wurde, die einen vergleichsweise hohen Fischbestand aufweist, der „sich aus 38 Fischarten" zusammensetzt.

Das von den Umweltschützern angesprochene Problem eines Umgehungsbaches beim Kraftwerk Freudenau, der auch als Fischaufstiegshilfe gestaltet werden muß, ist von den Dimensionen sogar viel geringer als bei Greifenstein. Es gilt, an die 800 Meter fischökologisch zu gestalten.

Problematischer ist die Frage der Sohleeintiefung der Donau hinter der Staustufe Wien. Da fordert Lötsch eine Zugabe von großkornigem Material, das auf der Sohle tatsächlich liegen bleiben könne. Das hält man in der DOKW zwar prinzipiell für machbar, verweist jedoch auf das Problem der Abdichtung der Donau. Im Uferbereich deutlich sichtbar wird zwischen den Steinen Feinsediment abgelagert, was den Durchtritt des Wassers in das umliegende Land verhindert. Ähnliches würde sich auch in der Sohle des Flußes ergeben.

Dem widersprechen Kritiker: Eine hohe Strömungsgeschwindigkeit verhindere die Ablagerung von feinen Sediment, von einer Abdichtung könne daher überhaupt keine Rede sein.

Gutachten stehen gegen Gutachten, die außerdem bisher nur teilweise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind. Auch die DOKW ist mit der Herausgabe von eigenem Datenmaterial äußerst zurückhaltend: Ihre Erfahrungen mit den Medien seien derartig schlecht, meint Peter Grass, daß man vorsichtig geworden sei.

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