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Ein Hoffnungsland für die Kirche
Wie auf den Philippinen spielen auch in Südkorea die Christen eine bedeutende politische Rolle, in Südkorea sogar sicher eine größere, als es ihrer Zahl entspricht.
Wie auf den Philippinen spielen auch in Südkorea die Christen eine bedeutende politische Rolle, in Südkorea sogar sicher eine größere, als es ihrer Zahl entspricht.
Südkorea ist jenes Land in Asien, in dem das Christentum sich der höchsten Zuwachsraten erfreut. Von den 41 Millionen Einwohnern bekennen sich etwa acht Millionen als Christen; davon sind 1,5 Millionen Katholiken. Die Protestanten bilden 52 Sekten, die ständig in weitere Neubildungen zerfallen. An den Rändern entste-
hen synkretistische Gebilde durch Vermischung christlicher Lehren mit einheimischem Brauchtum, vor allem schamani-stischer Prägung, die mit Christentum nicht mehr viel zu tun haben. Typisch für solche Ausfaserungen ist die „Vereinigungskirche“ San Myung Muns, deren „Theologie“ schon vor Jahren vom Rat der protestantischen Kirchen als unvereinbar mit der Botschaft Christi bezeichnet worden ist.
Die katholische Kirche ist in 14 Diözesen organisiert. Sie blickt auf eine heroische Geschichte von über 200 Jahren zurück, in der viele Koreaner als Märtyrer starben.
Die Erfolge des Christentums gründen zum Teil in der historischen Situation. Der Buddhismus hatte in den alten Königreichen Silla und Koryo den Status der
Staatsreligion erlangt und eine herrliche Kulturblüte mitgetragen, war dann aber um 1400 vom Konfuzianismus verdrängt worden, sodaß die Klöster nur in abgelegenen Bergtälern überleben konnten. Der Sturz der Dynastie (1910) machte aber diesem Staatskult, der vom König als Hohenpriester versehen wurde, ein Ende. Dadurch entstand unter der japanischen Besetzung ein Vakuum, das der zwangsweise auferlegte Shinto der Eroberer nicht ausfüllte.
Hier waren es die protestantischen Universitäten, die nicht nur das Christentum verbreiteten, sondern auch die Führer der Freiheitsbewegung heranbildeten. Das erklärt, warum die Kirchen in Südkorea von jeher politisch äußerst aktiv waren. Syngman Rhee, der erste Präsident nach der Gründung der Republik 1945, war methodistischer Pfarrer gewesen.
Von Katholiken gegründet und noch heute geleitet ist das „Institut für Arbeit und Management“, das christliche Arbeiterführer ausbildet. Daraus entstand die^ „Urban Industrial Mission“, die ähnlich wie die christliche Arbeiterjugend Koreas vorgeht. Auf dem Land ist ein katholischer Bauernbund tätig.
Alle diese Bewegungen geraten immer wieder in Konflikt mit der Regierung, die demokratische
Grundrechte restriktiv handhabt, weil sie die mühsam erkämpfte Prosperität dauernd vom kommunistischen Norden her bedroht sieht. Dieser hat 60 Prozent seiner überdimensionierten Streitkräfte an der Waffenstillstandslinie konzentriert, um jederzeit zum Überraschungsangriff bereit zu sein, falls der Süden Schwächezeichen verraten sollte. Das schafft, nicht ohne gute Gründe, in Südkorea den Eindruck, in einer belagerten Festung zu leben, in der strenge Disziplin zum Uberleben gefordert ist. In diesem Rahmen schuf die von Militärs gestellte Regierung ein Wirtschaftswunder.
Natürlich ist die Nation stolz darauf, daß sie in Anerkennung ihrer Leistungen 1986 die Asiatischen Spiele und 1988 die Olympischen Spiele organisieren darf. Unter gewaltigen Opfern wurde die Infrastruktur in den Sportanlagen und im Verkehrswesen (Untergrundbahn, Hotels, Schnellstraßen) fristgerecht bereitgestellt.
Es waren gerade diese Erfolge, die in den letzten Monaten zu innenpolitischen Spannungen führten. Die Opposition, die an An-
hang unter den Intellektuellen und Studenten gewinnt, fordert eine Revision der Verfassung, die eine Direktwahl des Staatspräsidenten durch das Volk, statt der jetzigen indirekten Kür durch Wahlmänner, erlauben würde.
Die wichtigsten Führer sind hierbei sämtlich Christen. Neben den Oppositionsparteien sind es vor allem die Studenten, die seit jeher ein aufrührerisches Element im Kräftespiel bilden, die mit Demonstrationen eine Wende fordern und dabei große Massen in Bewegung setzen. Religiöse Führer unterstützen die Bestrebungen nach mehr Demokratie, die durch Sammlung von zehn Millionen Unterschriften erhärtet werden sollen.
Präsident Chun Doo Hwan versprach, vor Ablauf seiner Amtsperiode 1988 über die Verfassungsrevision zu verhandeln, unter der Bedingung, daß die Diskussion von der Straße in das Parlament verlegt werde. Im Augenblick geht es ihm vor allem darum, die beiden Sportveranstaltungen ohne Störungen zu verwirklichen. Dann aber wird er nicht darum herumkommen, den großen Fortschritten in der Wirtschaftspolitik entsprechende Reformen in den demokratischen Rechten folgen zu lassen, wenn er sein Regime wirklich im Volk verwurzeln will.
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