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Ein Jahr Krieg - und kein Ende in Sicht
Seit einem Jahr wütet in Bosnien-Herzegowina der Krieg. Mit jedem Tag drehte sich die Spirale des Terrors, des Hasses und der Rache weiter. Zwölf Monate bereits - und kein Ende ist abzusehen.
Sozusagen zum Jahrestag hat das sogenannte Parlament der bosnischen Serben den Vance-Owen-Friedensplan, den die bosnisch-muslimische ebenso wie die bosnisch-kroatische Seite bereits unterschrieben hat, als „Diktat aus dem Ausland" verworfen. Nein zum Frieden.
Wieder einmal - Mitte Jänner wähnte man sich bereits am Ziel - hofft die internationale Gemeinschaft, durch Zurückhaltung und Zeit die Friedenskonferenz flottzubekommen. Konkret ist nur: Man übersiedelt wieder von New York zurück nach Genf. Und für den ehemaligen US-Außenminister Cyrus Vance schlüpft der norwegische Außenminister Thorvald Stoltenberg in die UN-Vermittlerrolle.
Zeitgewinn hat Bosnien bisher dem Frieden um keinen Millimeter nähergebracht. Zeitgewinn war und ist aber für die serbische Kriegspartei gleichbedeutend mit Gebietsgewinnen. Und der Krieg war vom ersten Tag an ein Krieg gegen die multikulturelle Gesellschaft Bosniens, eine Strategie der „ethnischen Säuberung", der Vertreibung, der Eroberung.
Hätte es noch irgendwo Zweifel an dieser Einschätzung gegeben, sollten sie durch die jüngste Ablehnung des Vance-Owen-Planes ausgeräumt sein: Gegenwärtig kontrollieren die Serben 70 Prozent des bosnischen Territoriums, 70 bis 80 Prozent sind das erklärte Ziel, um auf der Grundlage vollendeter Tatsachen dann in Direktverhandlungen mit den Muslimen und Kroaten in Bosnien über einen Frieden zu reden. Die Annahme des Friedensplanes wäre diesem Kriegsziel zuwidergelaufen: Die Serben hätten etwa ein Viertel des eroberten Gebietes wieder an die muslimischen Bosnier abtreten müssen.
In der Gewißheit, keine militärische Intervention der internationalen Staatengemeinschaft fürchten zu müssen, geht - Waffenstillstand um Waffenstillstand - der Eroberungskrieg um die noch „fehlenden" zehn Prozent des Territoriums systematisch und erbarmungslos weiter. Bis eine geplante Totalblockade gegenüber Rest-Jugoslawien, so es überhaupt dazu kommt, zu spürbaren wirtschaftlichen Verlusten führt, ist der Landgewinn längst fortgeschritten. Der Sicherheitsrat will nach Ostern beraten. Auf einen Tag auf oder ab kommt es nach einem Jahr auch nicht mehr an? Mag sein für die UNO, aber sicher nicht für Srebrenica.
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