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Ein Jahr und schon abgenützt
„Wir brauchen Ideen und Ideale, Visionen und Utopien, aber doch ebenso die Bereitschaft zur konkreten Arbeit und das Aufspüren von praktischen Lösungsmöglichkeiten ..."
Unter diesem Motto hat vor Jahresfrist die Koalitionsregierung Sinowatz-Steger ihr Amt angetreten. Wo sind die Ideen bloß geblieben? Wo die Visionen?
Weder die große noch die kleine Regierungspartei haben in diesen zwölf Monaten Tritt gefaßt. Die SPÖ hat den Abgang von Bruno Kreisky noch immer nicht verkraftet, die FPÖ nicht den Aufstieg Norbert Stegers.
Die Landtagswahlen in Niederösterreich und Salzburg, erst recht die gesamtösterreichischen Arbeiterkammerwahlen: Deutlich widerspiegelt sich im schwindenden Wählervertrauen schrumpfendes Zutrauen in die kleine Koalition. So rasch hat sich bisher noch keine österreichische Bundesregierung der letzten Jahrzehnte abgenützt.
Das ist kein „Verkaufsproblem". Das liegt an der Politik, die sich nicht von der Kreisky-Politik bis 1983 emanzipieren konnte. Auch nicht durch die Regierungsbeteiligung der FPÖ.
Die FPÖ entpuppte sich als zu schwach, daß sie auf der Grundlage ihres Programms einen neuen Kurs in ernst zu nehmendem Ausmaß durchzusetzen vermochte. Der (Miß-)Erfolg: Der frühere sozialistische Kurs wurde — optisch unwesentlich verbrämt — fortgesetzt. Das verschreckt FPÖ-Wähler und hält SPÖ-Pu-blikum auch nicht bei der Stange.
Ob Kanzler Fred Sinowatz da milde lächelt oder entschlossen die Fäuste ballt, spielt keine Rolle: nicht neue Gestik, neue Weichenstellungen wären gefragt.
In einem Bereich ist das der Koalition gelungen: mit der Schaffung des Umweltfonds und den damit ausgelösten Initiativen. Das ist die positive Seite dieses Regierungsjahres und weniger die wirtschaftliche Erholung, die nicht wegen, sondern trotz des Maßnahmenpaket^s langsam spürbar wird.
Das macht einige Probleme kleiner, nicht aber den Problemberg insgesamt, vor dem die Koalition steht: Heuer noch soll über Hainburg entschieden werden, endgültig auch über Zwebendorf. Heuer noch soll es ein Energiekonzept geben, eine Entlastung der Pensionskassen, eine Anpassung der Steuersysteme, die als „große Reform" angekündigt wurde, heuer noch — und das sagt man so seit Jahren — endlich Klarheit über die Finanzierung des Wiener Konferenzzentrums.
Heuer, das sind — Parlamentsferien inklusive — noch 31 Wochen. Reichen sie, teilweise aufzuholen, was in den ersten 52 Regierungswochen verabsäumt wurde?
Vielleicht. Vielleicht gelingt es, wenn die Regierung aus den Fehlern des ersten Jahres lernt. Nur setzte das Einsicht voraus.
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