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Ein Jahrzehnt Verspätung

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Franz Pallin, Ex-Präsident des Obersten Gerichtshofes und Vorsitzender der Antikorruptionskommission im Bundeskanzleramt, arbeitet mit seinen Mannen rund um die Uhr. Denn Bundeskanzler Bruno Kreisky will bald Taten sehen.

Seit dem Frühsommer denken Ver-fassungs-, Verwaltungs- und Strafrechtler, hohe Justizbeamte und Finanzexperten über schärfere Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption im Dunstkreis öffentlicher Auftragsvergabe nach.

Anfang September, als der Kanzler seine „zehn Gebote" zur Sanierung des AKH-Sumpfes verkündete, verstärkte sich der Druck auf die Kommissionäre.

Immerhin räumt Kreisky der Tätigkeit des Gremiums in seinem „fünften Gebot" absoluten Vorrang ein und will Möglichkeiten untersucht wissen, die eine rasche Erledigung seiner Wünsche gewährleisten.

Und dies alles im grellen Scheinwerferlicht von Bruno Kreiskys Rücktritts-drohung.

„Wir arbeiten ununterbrochen", demonstriert denn auch Franz Pallin sein Bemühen um rasche Konkretisierung der Vorschläge und Ideen. Was er mit „höchster Wahrscheinlichkeit heute schon" bestätigen könne, sei der Vorschlag („Wir können nur Empfehlun-

Monsterprojekt Wiener Allgemeines K am Skandal mitverantwortlich, gen an die Bundesregierung abgeben") eines „Vergabegesetzes".

Bislang agierten nämlich Beamte und Manager bei der Ausführung von Großprojekten eigentlich im gesetzlosen Raum.

Zwar ist das Vergabewesen für den Bereich des Bundes teilweise durch die ÖNORM A 2050 geregelt, doch ist diese bloß als Verwaltungsverordnung zu werten.

Sie verfügt damit über keine gesetzliche Grundlage.

Nach dem Wollen der Kommissionsmitglieder sollen daher auch die ÖNORM-Vergabebedingungen (wie etwa öffentliche Ausschreibung, Verbot von Preisabsprachen) in gesetzliche Bahnen gelenkt werden.

Pallin: „Wir glauben, daß eine Norm höherer Ordnung die Mißstände reduzieren hilft."

Und unter Sanktionen stellt.

„Bereits bei bloß vorsätzlicher Verletzung der Normen sollen Strafbestimmungen in Kraft treten", erläutert der engagierte Gesetzeshüter die Kommissionsabsichten.

Zudem werden Überlegungen angestellt - so Pallin - „inwieweit Schadenersatzansprüche für jene mitgeregelt werden sollen, die durch gesetzeswidriges Verhalten anderer nicht zum Zug gekommen sind".

In die gleiche Kerbe schlägt die Industriellenvereinigung. Sie plädiert für ein Büro im Machtbereich des Rechnungshofpräsidenten, dem betroffene Firmen unter voller Wahrung der Vertraulichkeit Mißbräuche melden könnten: „Es ist die bittere Erfahrung des Österreichers, nie wieder einen Auftrag zu bekommen, wenn er den Weg der Anzeige geht" (ein Industrieller).

. Auch die Volkspartei hat ihr Scherflein zur Anti-Schmiergelddiskussion beigetragen - und nicht erst seit dem AKH-Skandal.

In der Aktenablage des Bundeskanzleramtes ruht wohlverwahrt seit dem 22. April 1969 eine Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz „über die Vergabe von Leistungen durch den Bund".

Die ÖVP-Alleinregierung unter der Führung von Josef Klaus war damals bereits von ähnlichen Sorgen geplagt wie die rote Regierungsriege heute.

Infolge des politischen Machtwechsels im Jahre 1970 -die SPÖ stellte seit ihrem Bestehen erstmals allein die Regierungsmannschaft - kam es dann nicht mehr zu einer Gesetzwerdung der Materie.

Mehr als zehn Jahre danach brachten ÖVP-Oppositionelle in der Sondersitzung des Nationalrates am 21. August dieses Jahres einen Entschließungsantrag auf die gesetzliche Fixierung des Vergabewesens im öffentlichen Bereich ein.

Michael Graff - Hausanwalt der Volkspartei - hatte zuvor bereits Konkretes ausgearbeitet.

Demnach sollen

• nbsp;die öffentlichen Ausschreibungsregelungen von der Verfassung zwingend vorgeschrieben werden,

• nbsp;Verträge für nichtig erklärt wer-

laquo;kenhaus: Fehlen eines Vergabegesetzes

Foto: ARPE den, wenn bei der Ausschreibung oder Vergabe der Lieferungen und Leistungen die entsprechenden Gesetze verletzt wurden.

• nbsp;Strafbestimmungen für jene verankert werden, „die die Ausschreibung und Vergabe regelnden Gesetze verletzen" und hiedurch Rechtsträgern einen Vermögensnachteil zufügen und schließlich

• nbsp;Sanktionen für jene festgeschrieben werden, die „sowohl auf der Seite des zur Ausschreibung verpflichteten Rechtsträgers als auch auf der Seite des Auftragnehmers oder eines Mitbewerbers tätig werden".

Mit der Forderung, das Vergabewesen nicht nur in der Bundesgesetzgebung, sondern, auch in Landesgesetzen zu verankern, trifft sich der rührige Anwalt mit dem SPÖ-Mitglied Pallin: „Es ist unser Ziel, daß die Länder mit gleichlautenden Gesetzen mitziehen."

Der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Ratzenböck gibt sich gesprächsbereit: „Ich bin sehr dafür, daß wir ein Generalgespräch darüber fuhren, um eine vernünftige Regelung zu schaffen."

Neben der Antikorruption geht es dem schwarzen Landesvater noch um etwas anderes. Er möchte „Mauern" zwischen den Bundesländern abtragen: Firmen aus „fremden" Bundesländern werden nämlich von landeseigenen Aufträgen ferngehalten.

Ratzenböck: „In Europa werden die Zölle abgebaut und im winzigen Österreich glaubt jedes Bundesland, seinen Wirtschaftsraum vor Konkurrenz schützen zu müssen."

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