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Ein Kaiser von Mexiko — aber gar kein Realist

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Adam Wandruszka zählt ihn (bei der Analyse der „Idealtypen” der langen Reihe habsburgischer Herrschergestalten) als den letzten einer langen Reihe auf: Erzherzog Ferdinand Max, später Kaiser Maximilian von Mexiko, verkörpert ein letztes Mal, was sich von Rudolf dem Stifter über Maximilian I. und Joseph II. bis zu ihm beobachten läßt — den „kühn planenden und ausgreifenden, mit den hochfliegenden und weitgespannten Plänen aber immer wieder an der Realität scheiternden Typ”.

Auch der Gegensatz der Brüder Franz Joseph und Ferdinand Max tritt nicht zum ersten Mal in der Familiengeschichte auf: Friedrich III. und Albrecht VI., Karl V. und Ferdinand I., Joseph I. und Karl VI., Franz I. und Erzherzog Karl hatten ähnlich mit familiärdynastischen Problemen zu kämpfen.

Ferdinand Max wurde am 6. Juli 1832 - vor 150 Jahren - geboren. Wandruszka schildert ihn als „phantasiebegabt, dichterisch beschwingt und zunächst in der Bevölkerung wesentlich beliebter”.

Joachim Kühn, der die Akten des preußischen Gesandten Lago aus den letzten Tagen des mexikanischen Kaiserreichs herausgab, bezeichnet Maximilian als „unklaren, unschlüssigen, problematischen Kopf, der seiner Aufgabe nicht gewachsen war und nicht die Kraft hatte, aus seiner Lage Konsequenzen zu ziehen, als dies erf orderlich wurde”. Wer hat recht?

Ferdinand Max hat wohl mit seinem Neffen Rudolf gemein, daß beider tragisches Ende eine historisch-objektive Beurteilung erschwert, der parteiischen Zeichnung, der Legendenbildung Vorschub geleistet hat.

Ferdinand Max gilt heute noch als der romantische Träumer, der sich aus persönlichem Ehrgeiz von Napoleon III. in das mexikanische Abenteuer ziehen Heß, obwohl er für dessen Gelingen keinerlei Voraussetzung mitbrachte.

Kann einem Menschen zum Vorwurf gemacht werden, Kind seiner Zeit gewesen zu sein?

Natürlich verkörperte der jüngere Sohn der ehrgeizigen Erzherzogin Sophie alle jene Charaktereigenschaften und Denkkategorien, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts gängig waren oder die ihm die scharfe Erziehung vermittelte.

Natürlich wurzelte er — Jahrgang 1832- im Vormärz, in der Romantik mit all ihrem Uberschwang der Gefühle. Natürlich träumte er wie seine Zeitgenossen der Fünfziger jähre vom Reiz der Ferne, von Ubersee, von den Tropen, deren Entdeckung damals allgemein als das große Abenteuer erkannt und miterlebt wurde.

Und die „Illusion” vom Reich in Mittelamerika?

In jenen Jahrzehnten holten sich zahlreiche junge Völker Prinzen aus Mitteleuropa als Herrscher für ihre neuen Staatsgebilde: die Belgier einen Coburger, die Griechen einen Wittelsbacher, später einen Dänen, die Rumänen einen Hohenzollern, auch für Spanien stand — noch 1870 — ein Hohenzoller im Gespräch. Warum sollte dann die Idee, einen Habsburger nach Mexiko zu holen, so illusionär gewesen sein—in einer Zeit, in der nicht, wie heute, die Völker gefragt wurden, sondern auswärtige Mächte und einheimische Machtgruppen über das Schicksal der Staaten befanden.

Der von seiner Mutter verhätschelte Lieblingssohn trug schwer daran, der zweite zu sein, nach der Geburt seines Neffen Rudolf keine Chance mehr auf die österreichische Krone zu haben, von seinem Bruder nicht seinem Wert gemäß anerkannt zu werden.

Im Gegensatz zu Franz Joseph musisch begabt und interessiert, neuen Ideen des Liberalismus aufgeschlossen gegenüberstehend — und von seiner ehrgeizigen Frau ständig aufgestachelt, zu zeigen, was echt in ihm stecke —, hätte er wirklich eine Konkurrenz zum Bruder werden können. Nach Königgrätz ließen die Menschen in Wien „Kaiser Maximilian” hochleben und meinten diese Funktion nicht auf Mexiko bezogen, berichtet Franz Herre.

Der Zweiundzwanzigj ährige hatte bereits bewiesen, was er konnte: die von ihm — trotz des Wiener Widerstandes — reformierte und modernisierte Kriegsmarine mußte 1864 gegen Dänemark eingreifen, weü Preußen nichts Gleichwertiges aufzubieten hatte, und errang 1866 den Sieg bei Lissa.

Als Vizekönig in Mailand bemühte sich Maximilian mit gewissem Erfolg, den Haß der Italiener gegen die Habsburger zu mildern—bis ihn der Kaiser angesichts des herannahenden Kriegs wieder abzog.

Das mexikanische .Abenteuer” konnte nicht gelingen - das ist heute leicht festzustellen.

Damals auch? Vielleicht, wenn man sich darauf beschränkt hätte, Machtfaktoren abzuwägen, Versprechungen mißtrauisch gegenüberzustehen.

Daß der „Romantiker” Maximilian nicht gesehen hat, was er nicht sehen wollte, daß er sich auf Zusagen verließ, bis sie zerplatzten wie Seifenblasen — das hat er schließlich mit dem Leben bezahlt.

Ein Realist wäre erst gar nicht hinübergegangen, wäre allenfalls rechtzeitig heimgefahren, um als Pensionist in Miramar in Frieden weiterzuleben.

Maximilian war kein Realist. Abdanken heißt, sich selbst verurteilen, sich selbst ein Unfähig-keitszeugnis auszustellen... Das ist nicht Sache eines Fürsten von 34 Jahren voller Leben und Zukunftshoffnungen”, hielt ihm Charlotte im Herbst 1866 vor.

Maximilian glaubte ihr und den Wertvorstellungen seiner Erziehung.

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