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Ein Karnitz fur die achtziger Jahre

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Das gesellschafts- und wirtschaftspolitische Wirken von Reinhard Karnitz, des Finanzministers der Republik Österreich zwischen 1952 und 1960, der lange Jahre auch erfolgreicher Präsident der österreichischen Nationalbank war, steht heute als recht eindrucksvoller Beweis für die kontroversielle These, wonach nicht die Erinnerung, sondern die Gegenwart die Vergangenheit verklärt.

Ein Beispiel für viele und gewiß nicht das Wichtigste, von Reinhard Karnitz' früherem Sekretär Fritz Di-wok in einem Buch über den „Wegbereiter des Wohlstands“ sehr anschaulich herausgearbeitet: Karnitz ließ ab 1955 Silbermünzen prägen, erst eine 25-Schilling-Gedenkmünze anläßlich der Wiedereröffnung der Bundestheater, später, 1957, das 10-Schüling-Stück in Silber und ab 1960 an Stelle des Aluminium-Fünfers ein 5-Schil-ling-Silberstück. Obwohl der Silberwert bis Anfang der siebziger Jahre sehr stabü blieb, steigerte eine sehr rege Sammler-Nachfrage im In- und Ausland den Preis dieser österreichischen Münzen oft um mehr als 1500 Prozent. Die Sammler waren zufrieden, die Münzen arbeiteten im Ausland als Werbeträger Österreichs, und auch der Staat verdiente an den zahlreichen Prägungen.

Finanzminister Androsch versuchte, dieses Beispiel zu imitieren und erlitt dabei - trotz steigender Süberpreise -totalen Schiffbruch. Er übersah das Gesetz von Angebot und Nachfrage, ließ jährlich drei, vier und mehr Prägungen mit einer Auflage von drei Millionen Stück produzieren. In der Inflation wurden vor allem ärmere und ältere Menschen verlockt, die Süber-münzen meist gegen hohes Aufgeld zu kaufen. Heute würden sie nicht einmal dieses Aufgeld zurückerhalten, die in-und ausländischen Sammler haben sich aus dem österreichischen Münzmarkt zurückgezogen, der Markt für Silbermünzen ist völlig aus dem Gleichgewicht gekommen. Mit von vornherein als aussichtslos bezeichneten Gold- und Silberspekulationen hat Finanzminister Androsch Österreich nicht nur einen interessanten Exportmarkt verdorben, sondern zudem dem Staat recht großen Finanzschaden zugefügt.

Das alles mochte Bundeskanzler Kreisky bedacht haben, als er anläßlich der Feier zum 70. Geburtstag von Reinhard Karnitz den Jubilar „eine der großen Persönlichkeiten der Zweiten Republik“ nannte: „Wenn der Schilling jene internationale Stellung einer .harten Währung' hat, dann ist dies Karnitz zu verdanken.“

Es heißt, die auf vielerlei Einsichten beruhende Gegnerschaft zwischen Kreisky und Androsch sei beim Bundeskanzler so richtig am Tag dieser Feier aufgebrochen: Die Erkenntnis, daß vernünftige Wirtschaftspolitk so lange keine Hexerei ist, so lange man die Spielregeln beherrscht.

Reinhard Karnitz beherrschte diese Spielregeln geradezu perfekt. Seinerzeit von den Sozialisten oft als „Kan-nix“ verspottet, führte er die österreichische Wirtschaft aus einem Wellental der Krisen zu den neuen Ufern des Wohlstandes, zu einer Zukunft, die zu investieren wieder lohnte. Als Präsident der österreichischen Nationalbank genoß er internationale Autorität, nicht kraft seiner Funktion, sondern dank seines Wissens, dank der Erfolge, die ihm heute nicht einmal die Sozialisten abzusprechen wagen.

In wenigen Monaten wird Vizekanzler Androsch acht Jahre und damit noch länger als Karnitz der Republik Österreich zur Verfügung gestanden sein. Nur daraus ergeben sich Vergleiche mit seinem berühmten und erfolgreichen Amtsvorgänger.

Wenn heute der Stern des über siebzigjährigen Reinhard Karnitz heller denn je strahlt, so deshalb, weil sein Wirken auch Hoffnungen auf einen „Karnitz für die achtziger Jahre“ weckt. Hoffnungen auf einen Mann, der den Vormarsch zurück zur wirtschaftspolitischen Vernunft mit Maßnahmen beflügelt, die Österreich wieder aus der wirtschaftlichen Krise zu führen imstande sind.

Stephan Koren hätte so ein Mann sein können, doch ihm und Österreich blieb es versagt, auch in den schwierigen siebziger Jahren das Finanzressort zu leiten. Vielleicht kann er als Notenbank-Präsident an seine wirtschaftspolitischen Erfolge Ende der sechziger Jahre anschließen. Josef Taus könnte so ein Mann sein, das hat er schon als Chef einer dynamischen österreichischen Bank bewiesen. In der SPÖ drängt sich niemand auf: Finanzminister Androsch ist gar zur Aufgabe bereit; Staribacher ist zu tief in sozialistische Dogmen verstrickt und ein Staatssekretär Nußbaumer weniger als ein großes Fragezeichen.

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