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Ein Kirchenhasser korrigiert Geschichte

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Bald 40 Jahre nach der Verurteilung des Zagreber Erzbischofs Alois Stepinac als,.Kriegsverbrecher”, erscheint der Volksgerichtsprozeß in anderem Licht. Der seinerzeitige Ankläger, Jakov Blazevic, zur Zeit ZK-Mitglied der jugoslawischen KP und vormals auch Präsident der Teilrepublik Kroatien, korrigiert die offizielle Geschichtsschreibung.

Der kommunistische Spitzenfunktionär desavouiert Staats- und Parteichef Tito und rehabilitiert ungewollt Kardinal Stepinac, dessen Aburteilung als „Kriegsverbrecher” er 1946 betrieben hatte. In erster Linie aber kompromittiert sich der Kirchennasser Blazevic in einem Interview selbst, das in Jugoslawien großes Aufsehen hervorgerufen hat:

„Wir bewerfen uns gegenseitig mit Dreck, das darf nicht sein”, entrüstete sich der „Verband der alten Partisanen” in der kroatischen Landeshauptstadt Zagreb und fordert die Verantwortung Blazevics vor dem höchsten Parteiforum.

Der ehemalige Staatsanwalt hatte kürzlich im kroatischen Jugendblatt „Polet” unter anderem erklärt: „Der Prozeß gegen Stepinac wurde uns aufgedrängt. Wäre Stepinac ein wenig flexibler gewesen, wäre der Prozeß gar nicht notwendig geworden: Er hat ihn provoziert, da er politisch eine beschränkte Person war”.

Das veranlaßte den Interviewer von „Polet” zur Frage, ob „Genosse Tito den Kardinal aufgefordert hat, die katholische Kirche Kroatiens von Rom und dem kompromittierten Papst Pius XII. zu trennen?” Darauf Jakov Blazevic wörtlich: „So ist es. Das hat nicht erst Tito gefordert. Das wollte schon der kroatische Bischof Stroß-meier im Jahre 1869”, behauptete er fälschlicherweise weiter.

Das katholische Wochenblatt „Glas Koncila” hat die Antwort Blazevics begreiflicherweise als erstes aufgegriffen und stellt fest: „So hören wir zum ersten Male aus dem Munde eines prominenten Revolutionärs, daß Staatschef Tito vom Zagreber Erzbischof die Loslösung der kroatischen Kirche von Rom gefordert hat, daß er ihn zu einem Schisma aufforderte, aber Stepinac dazu nicht flexibel genug war. Blazevics Behauptung ist von solcher Tragweite, daß Wissenschaftler die Vorgänge dieser ganzen Epoche objektiv untersuchen müßten”.

Stepinac war damals zu 16 Jahren Kerker verurteilt worden, obwohl er jede Schuld geleugnet hatte. Die katholische Kirche Kroatiens hat die Verurteilung ihres Kardinals Stepinac als „Kriegsverbrecher” in einem Verfahren niemals anerkannt, das alle Attribute eines stalinistischen Schauprozesses aufgewiesen hatte.

Die neuesten Aussagen des seinerzeitigen Anklägers Blazevic, der sich unentwegt als atheistischer Wortführer in einem künstlich geschürten Kirchenkampf hervortut, werfen ein bezeichnendes Licht auf die Rechtssprechung in Jugoslawien im Jahre 1946. Die Zweifel an der Prozeßführung und dem Urteil waren so groß, daß Marschall Tito unter dem Druck der öffentlichen Meinung in der Welt, die Entlassung von Kardinal Stepinac 1951 aus dem Kerker anordnete. Stepinac lebte dann in Verbannung in seinem Heimatdorf, wo er 1960 verstorben ist.

Das kroatische Magazin „Danas” stellt die Frage, weshalb Blazevic erst jetzt mit Behauptungen herausrückt, die einen Angriff auf Tito darstellen und „seine Person und sein Werk entmythologisieren.” Tatsächlich kommt die Anklage auf den Staatsanwalt Blazevic wie ein Bumerang zurück. Schließlich hat er erst vor vier Jahren in seinen Memoiren „Schwert und kein Frieden”, alles ganz anders dargestellt. Die katholische Kirche Kroatiens dürfte von solchen Interviews nur profitieren und ihr ohnedies hohes Ansehen in Kroatien weiter festigen.

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