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Ein Kontinent befindet sich auf der Flucht

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Sie fliehen aus der Sahara nach Algerien, aus Äthiopien nach Kenia und Somalia, aus Südafrika nach Lesotho. Sie fliehen aus Mozambique nach Tan-zania, aus Namibia nach Angola und aus Angola nach Namibia. Afrikas Menschen sind auf der Flucht. Einer von 200 Afrikanern ist heute Flüchtling. Kriege und Rassismus, politische Unsicherheit und Unterdrückung machen den schwarzen Kontinent zu jenem Erdteil, in dem der Anteil derer, die unfreiwillig ihre Heimat verlassen haben, weitaus am höchsten ist.

Als Mauretanien und Marokko in die Westsahara einrückten, flohen 70.000 Einwohner (drei Viertel der Gesamtbevölkerung!) in die algerischen Flüchtlingslager. Fast die Hälfte der Bevölkerung Äquatorialguineas soll ins Exil gegangen sein, um der Unterdrückung durch ihren Präsidenten Francisco Macias Nguema zu entkommen. Mindestens eine Million Schwarze flüchteten vor den weißen Regierungen im Süden Afrikas. Tausende Ugandeser folgten Milton Obote ins Exil, als Idi Amin die Macht übernahm. Die englische Hilfsorganisation „Christian Aid“ schätzt die Zahl der Flüchtlinge in Afrika auf drei Millionen Menschen.

Afrika leidet an chronischer Unterbeschäftigung und in weiten Teilen auch an Nahrungsmangel; der Zuzug von Ausländern vergrößert diese Sorgen. Und auch politisch sind die Flüchtlinge nicht immer willkommen. Die Anwesenheit der Oppositionsführer, die aus Uganda ausgewandert sind, hat entscheidend auf die Verschlechterung der Beziehungen zwischen Uganda und Tanzania gewirkt. Die tausenden Rhodesier in Botswana, Sambia und Mozambique und deren politische und militärische Aktionen gegen die weiße Regierung haben auch die Armeen der rhodesischen Nachbarstaaten in die Kampfhandlungen verwickelt. Die Regierung von Swazi-

land machte aus Soweto geflüchtete radikale Studenten für die Anstiftung von Unruhen in Mbabane verantwortlich.

Drei Millionen Menschen in Afrika sind derzeit geflüchtet, weil sie die politischen Umstände aus ihrer Heimat vertrieben haben; wohl auch, weil die Grenzen in Afrika einst von den Großmächten mit dem Lineal auf der Landkarte gezogen wurden und nicht nach Bedürfnissen und Traditionen der Menschen, die dort lebten. Verantwortlich für die Flüchtlinge auf internationaler Ebene ist heute das Flüchtlings-Hochkommissariat der Vereinten Nationen, dessen neuen Leiter, der frühere dänische Ministerpräsident Poul Hartling, eben eine erste Rundreise durch den Süden Afrikas beendet hat. Doch die helfende Hand der UNHCR erreicht nicht alle. .

Die deutsche Presse hat die Flücht-lingscamps, die mit Hilfe der UNHCR angelegt wurden, wiederholt als „Terroristenlager“ bezeichnet. „Die Lager, die wir besucht haben, gehören bestimmt nicht in diese Kategorie“, entgegnet Härtung. „Wir geben nur humanitäre Hilfe und jeder Dollar ist ehrlich für diesen Zweck verwendet worden.“ Härtung erzählt von einem Lager in Botswana, Francistown. Es ist für 250 Menschen für einen Kurzaufenthalt eingerichtet. Jetzt leben 2000 dort. Nur einem kleinen Bruchteil der Hilfsbedürftigen kann mit neuen Lagern geholfen werden. Lager sind nicht genug; den Flüchtlingen muß auch der Rückweg ins normale Leben ermöglicht werden. Einige Staaten sind willig zu helfen. Lesotho etwa stellt 20 Prozent seiner Studienplätze für junge Flüchtlinge zur Verfügung. Doch der Weg in die Zukunft für die, die ihre Heimat verlassen mußten, ist lang. Drei Millionen Afrikaner warten auf politische Änderungen, die ihnen die Rückkehr ermöglichen - und auf Hilfe von außen.

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