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Ein Krünes, viel Grünes

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Die Konkurrenz für ÖVP und SPÖ bei den niederösterreichischen Land-tagswahlen am 16. Oktober formiert sich. Als Herausforderer: ein Krünes und viel Grünes.

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Die Konkurrenz für ÖVP und SPÖ bei den niederösterreichischen Land-tagswahlen am 16. Oktober formiert sich. Als Herausforderer: ein Krünes und viel Grünes.

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Offiziell können politische Parteien ihre Kandidatur für die niederösterreichische Landtagswahl erst nach dem „Stichtag“, dem 19. August, anmelden. Aber fünf wahlwerbende Gruppen haben bereits kundgetan, daß sie am 16. Oktober zum Sturm auf die schwarz-rote Bastion Niederösterreich antreten wollen. Ihre Wahlziele sind bescheiden bis hochgesteckt.

Leicht werden es die Kleinparteien in Niederösterreich nicht haben. Die 56 Landtagsmandate sind in festen Händen. Die ÖVP hält mit 32 Sitzen die absolute Mehrheit, die SPÖ besetzt 24 Mandate.

Landeshauptmann Siegfried Ludwig, gleichzeitig Chef der blau-gelben ÖVP, konnte mit der Gründung der Landeshauptstadt in St. Pölten und der Einleitung einer gezielten Regionalisie-rungspolitik die Geleise für neue Strukturen im Land legen. Und, Landes-Vize SP-Obmann Ernst Höger zieht in allen wichtigen landespolitischen Fragen mit.

Diese „schwarz-rote Ehe“ will die FPÖ stören. Als dritte Kraft und „Hecht im Karpfenteich“ will sie in den Landtag einziehen.

Davon träumt die FPÖ in Niederösterreich schon seit langem. Bis zur Nationalratswahl 1986 schien es ein unerfüllbarer Traum. Noch bei der Landtagswahl 1983 wählten nur 15.861 Landesbürger oder 1,69 Prozent die FPÖ. Im Sog von FP-Bundesob-mann Jörg Haider votierten aber am 23. November 1986 56.719 Niederösterreicher für die FPÖ. Umgelegt auf Landtagswahlen wären das zwei gut gesicherte Grundmandate.

Die landespolitisch absenten blau-gelben „Blauen“ hatten daher nichts dagegen, daß sich Jörg Haider jetzt im Landtagswahlkampf als Lokomotive vorspannt.

Wo immer Haider angesagt ist, sind ihm die Massen sicher. „Hoffentlich nur Neugierige“, beobachtet man besorgt in der ÖVP. Haider geißelt vor allem die Große Koalition, .Postenschacher“ und „Parteibuchwirtschaft“. Solidarisiert sich mit Arbeitslosen, lehnt die Steuerreform als leistungsfeindlich ab, macht Angst vor der Pensionsreform, zielt auf von der Marktordnung enttäuschte Bauern.

Er greift Bundesthemen auf. Aber die Landtagswahl im Kernland Österreichs ist natürlich Seismograph für die Zufriedenheit mit der Koalitionsregierung. Und natürlich sind auch nicht alle Bürger mit der Landespolitik zufrieden.

Noch immer schwelt Widerstand gegen die Landeshauptstadt St. Pölten. Vor allem in der bevölkerungsreichsten Region, im Industrieviertel. Das trifft nicht nur Ludwig und die ÖVP. Auch die „Roten“ südlich von Wien sind mit dem Kurs von SP-Obmann Höger unzufrieden. Er tritt zwar für die Regionen ein, steht aber auch zur ungeliebten Hauptstadt.

Als „Stiefkinder“ fühlen sich auch die wienorientierten Wein-viertler. In den alten Industrieregionen herrscht Angst um Arbeitsplätze, in den Grenzregionen Angst, über der Hauptstadt vernachlässigt zu werden.

Haider will Wirtschaftskompetenz signalisieren. Den farblosen landeseigenen FP-Viertelskandidaten hat er Wirtschaftsmanager Ex-Verteidigungsminister Hel-muth Krünes „vorgesetzt“. Nicht zur Freude der blau-gelben „Blauen“.

Krünes ist geborener Wiener und besetzt ein steirisches Nationalratsmandat. Seine Beziehung zu Niederösterreich: Vorstandsdirektor der Schiedl AG in Herzogenburg. Auf der FP-Liste kandidiert er in zweiter Reihe. Aber man hofft auf mindestens vier Grundmandate und ein Restmandat für Krünes.

Krünes hat übrigens schon der SPÖ angeboten, einem „roten“ Landeshauptmann den Steigbügel halten zu wollen. Die SP lehnte ab. Aber in der VP wertet man das Angebot als „gewaltige Versuchung“ für den kleineren Regierungspartner.

Aufwind durch Unzufriedenheit erhofft sich auch die KPÖ. 1983 entfielen auf sie 0,83 Prozent. Jetzt peüt man ein Prozent an.

Getrennt marschieren werden die Grünen. Die Umweltpolitik und vor allem die von den Großparteien beschlossene Sonderabfall-Lösung (drei Sondermülldeponien im Land) greift die linke Grün-Alternative Liste an. Spitzenkandidaten sind die Hainburger Hausfrau Helga Erlinger und der Mittelschullehrer Josef Äff aus Retz. Man will in den Landtag. 1983, als noch das Donaukraftwerk Hainburg zu bekämpfen war, „erntete“ man 0,59 Prozent der Stimmen. Jetzt fehlt ein landesweites „Feindbüd“.

Als Anwalt der Fußgänger und Radfahrer und Vorkämpfer für Selbstbeschränkung führt Werner Schmidt die Vereinten Grünen. Der Lehrer an der Bundesschule für Obst- und Weinbau in Klosterneuburg leitet im Kloster-neuburger Gemeinderat seit 1984 eine „Bürgerunion“. Er will die Vereinten Grünen von 0,99 Prozent auf ein Prozent „aufstocken“.

Mit „bescheidenen“ zwei Mandaten in den Landtag will Möd-lings Vizebürgermeister Josef Wagner. Der Bau- und Brunnenmeister war VP-Wirtschafts-bündler, dann FPÖ-Mitglied. Als nunmehr „wilder“ Gemeindemandatar gründete er die Partei „Wir Niederösterreicher“ als Sammelbecken für alle Enttäuschten. Der FPÖ-Renegat kämpft gegen die Tintenburgen in der Landeshauptstadt, für „Steueroasen“ in den Armutsregionen und für Auflassung der Lustbarkeitssteuer.

Bewirkt haben die fünf Angreifer — vor allem Haider — eines: ÖVP und SPÖ rückten näher zusammen.

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