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Ein Künstler der epischen Belehrung

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„Jahre mußten vergehen, bevor er zu ahnen begann." So beginnt eine (noch unveröffentlichte) Erzählung Peter Ebners, der in diesen Tagen sein 60. Lebensjahr vollendet. Jahre hatten auch vergehen müssen, ehe der Schreibbesessene ahnte, daß er viel* leicht doch ein Publikum für seine Erzählungen finden würde. Bis 1975 türmte sich sein schriftstellerisches Werk innerhalb heimischer Wände.

Dann räumte der 43jährige den Manuskriptberg zur Seite und begann, für eine Öffentlichkeit zu schreiben. Anders als bisher und anders als andere. „Der Erfolgreiche" war sein erster Roman (1982 bei Styria), vielleicht sogar sein bester. Ein Held der Leistungsindustrie hält inne, denkt um. Man darf Autobiografisches vermuten: Auch Peter und Grit Ebner schoben ein Jahr Griechenland in ihr Leben ein, ehe sie (mit einem Fünftel des früheren Gehalts) neu begannen.

Elf Jahre hatte Peter Ebner erfolgreich in der Industrie zugebracht, sieben davon in leitender Stellung in England, wo auch geheiratet wurde und die zwei Söhne zur Welt kamen. Dann machte er in Wien als Lehrer für Chemie und chemisches Englisch den Lehr- zum Brot- und den Schreib- zum Traumberuf. „Er ist ein guter und beliebter Lehrer geworden", sagt seine gleich ihm vielseitig begabte und engagierte Frau, „aber immer war ihm das Schreiben das Wichtigste."

Im zweiten Roman („Das Schaltjahr") wird die Entwicklung zweier Frauen geschildert: Emanzipation als Aussteigvariante. Kein Wunder, daß er mit diesem Thema nicht auf die ungeteilte Zustimmung ideologisch prästabilisierter Kritiker stieß. „Unliterarische Literatur", „Naivität", „Marionettenfiguren" wurden ihm vorgeworfen. Am durchschlagenden Erfolg des dritten Romans („Schnee im November") konnten auch solche Rezensionen nichts ändern. Diese Schubert-Deutung „ist keine Biographie, sondern eben ein Roman. Er schildert, was gewesen sein könnte, nicht, was gewesen ist", befand die „Neue Zürcher", gesamt ein Glückstreffer", urteilte ihr Rezensent, der „die schwächeren Passagen in den tiefschürfenden, philosophierenden Passagen" ortet. Unbestritten ist, daß die herausragende Genialität Peter Ebners in seiner fesselnden Erzählkunst liegt: Eine überquellende Phantasie paart sich mit skrupulöser Zeit- und Faktentreue (ein Erbe der Chemie-Ausbildung in „der Ro-sensteingasse" in Wien, die dort auch Elias Canetti und Johannes Mario Simmel erhalten haben!) zu knapper, einfacher, konkreter Sprache.

Bei der Entfaltung seiner eisernen Disziplin zu poetischer B lüte war ihm Gy ör-gy Sebestyen ein geduldiger, hilfreicher Freund. Und auch wenn die erste Erzählung in der „Presse" abgedruckt wurde, erlangte für Ebner die FURCHE zentrale Bedeutung als Plattform für sein schriftstellerisches Werk, zu dem neben weiteren Romanen („Am Ende der Hoffnung beginnen die Wege", „Inigo") und Erzählbänden („Ihr werdet meine Zeugen sein", „Für Gott und die Welt") auch rund 180 in Zeitungen, Zeitschriften und im Radio veröffentlichte Erzählungen gehören, Hörspiele und selbst ein Fernsehspiel sowie Gedichte, um deren Publikation er nie bemüht war.

Aussteigen nicht als Flucht

Peter Ebner ist ein zutiefst religiöser Mensch. So gut wie alle seine Werke kreisen um Zentralfragen des menschlichen Daseins: Woher, Wohin, Ursprung und Bestimmung des Menschen, Schuld und Sühnbarkeit durch Liebe, Metänoia: Das Aussteigen ist bei ihm nie eine Flucht vor Weltverantwortung, sondern Einkehr, Umkehr, Bekehrung, zu der ein Mensch immer wieder im Leben gerufen wird, für die es nie zu spät ist. (Für Apokalypsen öffnen Verlage lieber ihre Tore.)

Aber Peter Ebner predigt nicht, er verabscheut hohles Pathos, er erzählt. „Diese Art der epischen Belehrung hat die Bibel, besonders das Alte Testament, zum Menschheitsbuch gemacht." Könnte man freundlicher als mit diesem Zitat des Literaten Franz Richter den Literaten Peter Ebner richten?

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