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Ein Kunstsommer mit Folgen

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Die bildende Kunst steht in Salzburg, zumal zur Festspielzeit, im Schatten der Musik. Doch der nun zu Ende gehende Kunstsommer brachte der Stadt an der Salzach einiges auf diesem Gebiet, was nicht nur im Augenblick spektakulär war (und noch ist), sondern weiterwirken wird. Professor Welz wirbt nicht nur für seine Idee einer „Albertina der Moderne“, zu der die graphische Sammlung Rupertinum werden soll, sondern schlug auch die Gründung einer österreichischen Akademie vor — die Tragweite dieser Idee ist heute noch gar nicht abzusehen.

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Die bildende Kunst steht in Salzburg, zumal zur Festspielzeit, im Schatten der Musik. Doch der nun zu Ende gehende Kunstsommer brachte der Stadt an der Salzach einiges auf diesem Gebiet, was nicht nur im Augenblick spektakulär war (und noch ist), sondern weiterwirken wird. Professor Welz wirbt nicht nur für seine Idee einer „Albertina der Moderne“, zu der die graphische Sammlung Rupertinum werden soll, sondern schlug auch die Gründung einer österreichischen Akademie vor — die Tragweite dieser Idee ist heute noch gar nicht abzusehen.

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Zur Festspielzeit gibt sich Salzburg auoh das Image, Stadt der bildenden Kunst zu sein. Nicht nur Jedermann und Karajan stecken die Grenzen ab. Da gibt es auch andere Gegensätze, die - wenn schon nicht wie Touristenschlager - so doch wie magische Anziehungspunkte auf das Festspielpublikum wirken: Gustav Klimts Zeichnungen etwa, die heuer aus Wien in den Vogelhauspavillon des Mirabellgartens übernommen wurden, waren eine solche Attraktion; die große Friaul-Ausstellung, die erneuerte Residenzgalerie, eine Max-Ernst-Schau mit Graphik und Büchern des faszinierenden Dada- und Surrealistenkünstlers im Künstlerhaus, eine Spielzeugschau oder das an Überraschungen immer wieder reiche Barockmuseum standen nicht nach.

Und selbst die kleinen Galerien schalten auf Konkurrenz: „Academia“ etwa, indem sie eine Ausstellung von Zeichnungen, Druckgraphik und Buchillustrationen des deutschen Druckgraphik-Stars Horst Janssen in die Residenz brachte.

Eine Kollektion, die in vieler Hinsicht bemerkenswert ist: weil sie die seltsamen Um- und Abwege dieses Zauberers mit Graphit- und Farbstift und Radiernadel geradezu bloßlegt… Janssen, der bravouröse Artist, unter dessen Zugriff jedes Blatt eine unverkennbare, eine schillernd erotische Atmosphäre bekommt, wirft sich mehr und mehr auf die Paraphrase. Schiele, Odilon Redon, die dekorativen Manieristen der Schule von Fontainebleau, Füssli, die preziösen Manieristen des Prager Hofes Rudolphs II. wie Spran-

ger, sie alle reizen ihn, Sujets und Stil zu paraphrasieren … Einmal zwischendurch, meinetwegen. Aber er tut das mit einer Eleganz und virtuosen Geläufigkeit, daß ich den Verdacht nicht los werde, daß Janssen mit diesen Arbeiten Flauten überbrückt. Flauten jener eigenen Kreativität, die ihm schließlich seinen Ruf als einer der ausdrucksstarksten Zeichner der deutschen Kunstszene eingebracht hat.

Denn was er in ein kleines Flächenstück mit ein paar Strichen an Expression, an Dichte, an dramatischer Kraft verpacken kann, zeigen viele seiner älteren Selbstdarstellungen, seine neobarocken Stilleben, ‘ seine kleinen Studien, in denen nichts von der falschen Theatralik der anderen Arbeiten zu spüren ist. Freilich, daß im Preisgefüge Janssens einiges „bloß Theater“ ist, beweisen auch die Angaben der Galerie Academia: Bis zu 175.000 Schilling für ein Farbstiftblatt und bis zu 36.000 Schilling für eine Radierung! Da haben sich schon alle Beteiligten sehr angestrengt, Janssen soweit hinaufzukatapultieren; und sie strengen sich noch an, diese Preise auch zu halten.

Überhaupt ist man zur Zeit im Salzburger Kunsthandel mit den Preisen nicht gerade zimperlich: 195.000 Schilling für einen - allerdings sehr raren - Kandinsky, ein Farblitho für die vierte Bauhausmappe von 1922; 170.000

Schilling für ein Litho Paul Klees, „Die Hexe mit dem Kamm“ (1922); 130.000 für ein Blatt Chagalls aus „Cirque“ (1967) und so fort. Das sind die Spitzenreiter der zugegebenermaßen sehr exklusiven Ausstellung „Europäische Graphik des 20. Jahrhunderts“, die noch einige Zeit in der Galerie Welz zu sehen ist.

Was Friedrich Welz da aus der Schweiz geholt hat, ist allerdings tatsächlich erste Qualität: eine bloß 123 Blatt umfassende, aber fast durchwegs erlesene Zusammenstellung von Highlights, kreuz und quer durch Perioden und Namen, Stile und Techniken, von Appel über Arman, Arp, Baj, Braque, Chagall, de Chirico, Corinth, Dali, Dix, Dubuffet, Max Emst, Giacometti, Hockney, Kandinsky, Kirchner, Klee, Kokoschka, Kubin und so weiter bis zu Ossip Zadkine. Kunstgeschichte - einmal nicht chronologisch, sondern zum Teil nach motivischen Verwandtschaften, in vergleichbaren technischen Verfahren (Holzschnitt, Radierung, Farbradierung, Litho) oder in großen geistigen Verknüpfungen wie etwa der Expressionismusblock der Ausstellung mit seinen reizvollen Gegenüberstellungen von Corinth, Grosz, Heckei, Kirchner, Feininger, Nolde, Müller und anderen zeigt.

Nicht nur der Kenner kommt da auf seine Rechnung, weil statt der bekann ten Beispiele aus dem Schaffen einzelner Künstler Seltenes und wenig Reproduziertes bevorzugt wurde. Auch jeder, der sich mit Drucktechniken, ihren Eigenheiten, Effekten und Möglichkeiten beschäftigt, sieht, wie eigenwillige Künstler die Technik für ihre Zwecke einsetzten oder wie Stileigentümlichkeiten eines Künstlers aus bestimmten Techniken entwickelt wurden und dann in anderen Medien, in der Malerei etwa, weiterwirkten. Der Fall Lyonei Feininger zum Beispiel, hier vertreten mit zwei sehr schön gedruckten Holzschnitten, belegt das deutlich.. ‘.

Freilich, daß Professor Welz diese mehr als nur einmal sehenswerte Schau nach Salzburg holte, hat auch Hintergründe. Denn Welz ist der Motor, dem die Stadt die Gründung der graphischen Sammlung Rupertinum verdankt. Dank seiner Initiative wird bis 1980 das prächtige Collegium Rupertinum umgebaut sein und es soll in Hinkunft als „Albertina der Modeme“ Graphik der Gegenwart sammeln, präsentieren, in eigenen Druckwerkstätten fördern und dokumentieren. Welz selbst hat fürs Rupertinum bereits das graphische Werk Kokoschkas gestiftet und eine kleine, schöne Sammlung internationaler Druckgraphik zusammengetragen. Verständlich, daß er jetzt diese Schau vorstellt. Denn daß davon so manches wichtige Blatt, der Kandinsky etwa oder Klee, der Heckei oder Feininger, in Salzburg bleibt, ist sein Wunsch. Und daß Stadt und Land Salzburg, der Bund, Industrie und Banken, private Mäzene Und Sammler da mithelfend einspringen werden, seine Hoffnung. Also, Mäzene vor!

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