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EIN LAND KOMMT UNTER DIE HAUBE

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Schilcher, Sterz und Kernöl: Diese drei Begriffe fallen Nicht-Steirern fast zwangsläufig ein, wenn es in kulinarischem Zusammenhang um die Steiermark geht. Mit wachsendem Staunen registriert man jetzt jenseits der Landesgrenzen, daß der steirische Weinbau erheblich mehr zu bieten hat als nur den Schilcher, und daß die Zahl engagierter Gastronomen, die zwar bodenständig, aber dennoch raffiniert und leicht kochen, erfreulich zunimmt.

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Schilcher, Sterz und Kernöl: Diese drei Begriffe fallen Nicht-Steirern fast zwangsläufig ein, wenn es in kulinarischem Zusammenhang um die Steiermark geht. Mit wachsendem Staunen registriert man jetzt jenseits der Landesgrenzen, daß der steirische Weinbau erheblich mehr zu bieten hat als nur den Schilcher, und daß die Zahl engagierter Gastronomen, die zwar bodenständig, aber dennoch raffiniert und leicht kochen, erfreulich zunimmt.

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Die berühmten „Hauben", die von den Verkostern von Gault Millau alljährlich vergeben werden, sind zweifelsohne nicht als Maß aller Dinge anzusehen. Bewertungen von Küche und Keller sind primär die Wiedergaben äußerst subjektiver Eindrücke. Dennoch kann es kein Zufall sein, daß die Zahl der Haubenköche und -lokale in der Steiermark innerhalb weniger Jahre geradezu explodiert ist.

Vor sieben Jahren noch gab es bloß sechs mit einer Haube gekrönte Eß-tempej; heute schmücken'sich 18 steirische Lokale mit dieser Auszeichnung. Vor wenigen Jahren noch völlig „haubenfrei", hat hier vor allem die Obersteiermark mächtig aufgeholt: Sechs Lokalen an Mur, Mürz und Enns verliehen die Gault Millau-Tester heuer die begehrte „Trophäe": Die Restaurants „Lindenwirt" (bei Judenburg), „Grirnmingwiuz'ri" (Bad Mitterndorf) und „Zum Bunten Strauß" (Leoben) wurden mit 14 von 20 möglichen Punkten für ihre Bemühungen belohnt, der „Schnepf n-Wirt" (bei Bruck/Mur), der „Kohlbacher" in Langenwang im Mürztal und das Restaurant Holzer (Neuberg/Mürz) erhielten die Haube mit je 13 Punkten.

Ebenfalls gut mit Spitzenrestaurants „bestückt" ist die Oststeiermark: der „Modersnhof' (bei Weiz), der „Thermenhof" (Bad Waltersdorf), das Restaurant im Schloßhotel Obermayerhofen (bei Bad Waltersdorf), der Gasthof Stalzer (Pöllau) und das Restaurant „Zur Klause" (Ratten im Feistritztal) schwenken stolz ihre 13-Punkte-Hauben.

Eher matt in Sachen gehobene Gastronomie" ist die Situation im Süden und im Westen des Landes mit je einem Hauben-Lokal: der Sattlerhof in Gamlitz bekam mit 14 Punkten eine Haube und der Gasthof „Zum Kleinhapl" in Köflach darf sich seit Jahren als höchstdekoriertes Restaurant der Steiermark bezeichnen, ergattert das Ehepaar Gußmack doch regelmäßig zwei Hauben (15 Punkte).

Und seit heuer gibt es im Lande sogar ein zweites Zwei-Hauben-Lokal: In Graz wurden auch dem „Plabutscherschlössl" 15 Punkte zuerkannt. 14 Punkte bekamen die Restaurants „Pichlmaier" und „Hof keller", 13 das „Weincomptoir" und das Landhaus Hammerl (Grambach bei Graz). Bloß fünf Haubenlokale für Österreichs zweitgrößte Stadt deuten allerdings an, daß Graz im kulinarischen Bereich einiges aufzuholen hätte. (Zum Vergleich: In der Stadt Salzburg gibt es 15 dermaßen ausgezeichnete Restaurants!)

Bleiben wir gleich in Graz: Horst Skilecz' Plabutscherschlößl (Göstin-gerstraße 149) hat den Abgang von Kochkünstler Willi Haider glänzend verkraftet. Der neue Mann hinter den Töpfen, Kai Hasewend, schließt an die Leistungen seines einstigen Lehrers lückenlos an. Und da in dem üppig dekorierten Lokal auch das Service perfekt und die Weinauswahl entsprechend ist, gilt das Plabutscherschlössl zu recht als eines der (wenigen) Grazer Top-Lokale.

Buntgemischtes Publikum

Seit vielen Jahren kocht Karl Pichlmaier in seinem Spezialitätenrestaurant (Petersbergenstraße 9) in gleichbleibend hoher Qualität. Vor allem, wertn's um Fisch geht, zählt er zweifelsohne zu Österreichs besten Köchen. Das von der Chefin des Hauses dirgierte Kellner-Ensemble agiert perfekt, die Auswahl an in- und ausländischen Weinen läßt keinen diesbezüglichen Wunsch offen, die Atmosphäre ist als gediegen-gemütlich zu bezeichnen.

Gemütlich geht es auch im einzigen Innenstadt-Haubenlokal von Graz, im Hofkeller (Hofgasse 8) zu, wo die fast klassische Arbeitsteilung - Josef Schögler zaubert in der Küche, seine Gattin leitet das Service -konstant gute Leistungen bietet, wobei gerade in diesem Lokal das Preis-Leistungsverhältnis sehr erfreulich ist.

Wie problematisch die diversen Haubenverteilungen sind, beweist MeisterZimmermann mit seinem Restaurant „Zur Post" in Söding bei Graz. Gault Millau gab diesem Lokal keine Haube (der Schreiber dieser Zeilen und Genießer etlicher Zimmermann-Menüs hätte dies schon längst getan). Hier versteht man es in jeder Beziehung, auf das sehr bunt gemischte Publikum einzugehen. Auch bei großem Andrang bleibt die Bedienung freundlich und die Qua-liät des Gebotenen aus Küche und Keller gleichbleibend gut.

Ein paar Kilometer westlich von Söding, in Köflach, wartet das Ehepaar Gußmack seit Jahren mit Spitzenleistungen auf. Im Gasthaus „Zum Kleinhapl" hat man eine Art „Quadratur des Kreises geschafft. Denn während „vom" im Lokal Arbeiter ihr Krügerl Bier schlürfen, kann „hinten" fulminant getafelt werden; Wirtshaus und Gourmet-Tempel in einem also. Gertrude Gußmack gilt zu recht als eine Wegbereiterin einer bodenständigen, steirischen und dennoch unerhört raffinierten und feinen Küche.

Im weinreichen Süden des Landes, in Gamlitz, hat sich die Weinbauernfamilie Sattler vor kurzem entschlossen, ihre hervorragenden Produkte aus dem Weinkeller in einem entsprechenden Restaurant anzubieten. Auf Anhieb wurde der Sattlerhof dank der Kochkünste von Hannes Sattler zum besten Lokal der Südsteiermark.

In der Oststeiermark fällt einem ein derartiges Prädikat schon schwerer. Da gibt es einen der jüngsten Haubenköche Österreichs, Günter Stalzer, der im elterlichen Gasthof in Pöllau bei Hartberg eindrucksvoll zeigt, was er einst bei Meisterkoch Emst Huber im fernen Vorarlberg gelernt hat. Da gibt's aber auch die enorm kreative und engagierte Küche im Restaurant des Schloßhotels von Obermayerhofen unweit von Bad Waltersdorf und ein nicht minder ambitioniertes Team im „Thermenhof' in Bad Waltersdorf, das für seine kulinarischen Genüsse im Vollwertbereich kürzlich mit der „grünen Haube" ausgezeichnet wurde (siehe Seite 32). Mit diesen drei Hauben-Lokale hat der Bezirk Hartberg die mit Abstand größte „Haubendichte" der Steiermark! Ein paar Kilometer weiter, in Büchl bei Weiz, führt Walter Maier nicht nur ein Romantikhotel, sondern auch ein Top-Restaurant, das jahrelang das einzige Spitzenlokal der Oststeiermark war. Und wieder ein Stück weiter, in Ratten im obersten Feistritztal, erfreut Monika Posch in ihrem Gasthaus „Zur Klause" das Herz jedes Feinschmeckers.

Von hier ist es über das Alpl nicht weit ins Mürztal, wo mit dem Gasthof Holzer in Neuberg und dem Restaurant „Kohlbacher" in Langenwang gleich zwei hervorragende Etablissements stehen. Die Holzers kochten sich vor allem mit steirischer Hausmannskost in die Herzen der Gault-Millau-Tester, Emst Binder hat den „Kohlbacher" schon vor geraumer Zeit zur ersten Adresse im Mürztal gemacht.

Mürz ab- und Mur aufwärts gelangt man zunächst zu „Schnepfn-Wirt" Peter Lippert in Unteraich bei Bruck, der ein unscheinbares Gasthaus in ein gemütliches Restaurant verwandelt hat und seit Jahren haubengeschmückt ist. Offenkundig übersehen haben die Hauben verteiler hingegen den Brückl-Wirt in Niklasdorf (knapp vor Leoben). Hier beweist man unter anderem, daß auch ein Tagungs- und Seminarhotel gastronomische Spitzenleistungen bringen kann. Jahrelang war der Brückl-Wirt auch das einzige Spitzenrestaurant für die Leobner. Denn in der zweitgrößten Stadt der Steiermark gab es allzu lange überhaupt kein Lokal, das aus der Masse der Wirtshäuser herausragte. Seit kurzem ist das anders. Küchenchef Wilhelm Brunner geigt im „Bunten Strauß" (Straußgasse 5) prächtig auf.

Hier und in fast allen angeführten Lokalen erfreuen nicht nur Speisen und Service des Feinschmeckers Herz, sondern auch die jeweils umfangreichen Weinkarten, in denen der steirische Rebensaft eine führende Rolle einnimmt. Spätestens seit dem großen Weinskandal, in den die steirischen Winzer ja nicht involviert waren, genießt der Wein aus der Steiermark in Österreich jenen Ruf, den er sich schon länger verdient hätte. Eine neue Generation junger Weinbauern wartet in den drei Weinbaugebieten West-, Süd- und Südoststeiermark mit Leistungen auf, die mittlerweile auch international für Aufsehen sorgen.

Qualität geht vor Quantität

Auf nur4,5 Prozent der österreichischen Weinbaufläche werden hier Weine produziert, die eines gemeinsam haben: Qualität geht klar vor Quantität. Und das sind einige der Top-Betriebe: Breitenberger (Kai-bing), Gross (Ehrenhausen), Hirsch-mugl (St. Andrä i. S.), Lackner-Tin-nacher (Gamlitz), Platzer (Tieschen), Polz (Spielfeld), Prünte (Spielfeld), Sattler (Gamlitz), Tscheppe (Leut-schach) Winkler-Hermaden (Kapfen-stein). Bei fast allen steirischen Weinbauern sind es läge-, klima- und bodenbedingt primär Weißweine, die Spitzenqualität erreichen: Der Welschriesling, die wichtigste Weinsorte des Landes, ein fruchtig-würziger, meist recht robuster Wein; der elegante Weißburgunder, der Chardon-nay, der in der Steiermark Morillon heißt, der Ruländer (Grauer Burgunder), bei dem einige steirische Weinbauern Weltklasse schaffen und der würzige Sauvignon blanc (Muskat-Sylvaner).

Aber keine Frage: Als der steirische Wein schlechthin gilt der Schilcher, jener roseähnlich ausgebaute Wein aus der Blauen Wildbachertraube, den man sogar im Ausland kennt.

Womit wir wieder beim Beginn dieser kulinarischen Rundreise angelangt wären - bei Schilcher, Sterz und Kernöl. Keine Frage: Die steirische Gastronomie greift gern auf diese „Zutaten" zurück, aber sie hat mittlerweile wohl viel mehr zu bieten.

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