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Ein leeres Grab ?

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Der Heilige Rupert, Patron von Salzburg und Oberbayern, war nach neuester Auffassung kein Kloster-, sondern ein Kirchengründer. Er begründete nicht, wie Legenden und herkömmliche Geschichtsschreibung berichten, das Kloster von St. Peter am Fuß des Mönchsberges und das Frauenkloster Nonnberg. Gemäß dem Auftrag des bayrischen Herzogs Theodo aus dem Geschlecht der AgUolfinger, in dessen Land Kirchen zu errichten, zu erneuern oder zu erweitern, ließ der aus königlich-französischem und herzoglich-irischem Blut stammende Hrodpert-Rupert aus Worms am Rhein 696 über Ruinen der Römerstadt Juvavum eine

Kirche samt Unterkunft (Clau- stra) für sich und seine zwölf Begleiter bauen. Im Kloster Nonnberg setzte er lediglich seine Nichte Erentrudis als erste Äbtissin ein.

Das Kloster Nonnberg, Bestandteil der strategisch wichtigen Oberburg, zählte zum Besitz des Herzogs. Die Nonnen waren Witwen und Schwestern von Herzogen. Nach dem Tod ihres Mannes Theodo trat auch Herzogin Regintrud in das viel reicher als St. Peter mit Land und Gut, Salzbergbau, Jagd- und Fischereirechten ausgestattete Frauenkloster ein. Sie wurde später sogar dessen Äbtissin.

Verfechter der neuen Theorie ist Stefan Karwiese vom österreichischen Archäologischen Institut. Er kam zu dieser Interpretation aufgrund der Untersuchungsergebnisse von bislang 15 Kampagnen in Stift, Kloster, Klostergarten und Marienkapelle von St. Peter und vergleichender Studien mit mittelalterlichen Chroniken, die er nicht imbedingt für historisch zuverlässig hält. So meint Karwiese, bei der Abschrift der „Vita“ des Heiligen Rupert aus dem 9. Jahrhundert hätte der Schreiber Manipulationen vorgenommen, manches vertuscht und einiges durcheinandergebracht.

Mit den Grabungen an der Wirkungsstätte des zumeist mit einem Salzfaß dargestellten Heiligen, der — um das Leben der Armen zu verbessern — den Salz-

bergbau gefördert hatte, begann der Archäologe bereits 1980. Systematisch arbeiten konnte er allerdings nicht, da er einerseits äuf den liturgischen Kalender der Benediktiner-Patres Rücksicht nehmen mußte, andererseits den Spaten nur dort ansetzen durfte, wo ein Bauvorhaben anstand.

Schon bei den ersten Grabungen im Kircheninneren lokalisierte er Um- und Anbauten aus dem 12., dem 13. und dem 17. Jahrhundert und stieß auf Fundamente aus der Zeit um 700 und der römischen Kaiserzeit (Stadtvillen, Handwerkerhäuser und eine kleine Schotterstraße, die während der Völkerwanderung um 476 zerstört worden waren). Von jener frühchristlichen Kirche an der Igonta (Salzach), in der laut „Vita Severini“ des Eugippius der Apostel aus Noricum im 5. Jahrhun dert einen Abendgottesdienst gefeiert, eine todkranke Frau geheilt und eine wohlorganisierte Christengemeinde hinterlassen hatte, fand Karwiese vorläufig keine Spur.

Die Grundmauern aus der Zeit um 700 — sie stammen von einem viereckigen Gebäude mit den Ausmaßen von zehn mal sechs Metern und gliedern es in zwei Kammern — hält der Kirchenhistoriker Hans Rudolf Sennbauer aus Zürich für Reste eines Mausoleums aus dem vierten bis siebenten Jahrhundert. Karwiese sieht in ihm die Unterkünfte für Rupert und seine Begleiter.

Ruperts Kirche vermutet der Archäologe unterhalb der Marienkapelle. Er folgert dies aus einem Gedicht Alkuins, des Geistlichen und Gelehrten Karls des

Großen, der um 800 einen Marienaltar im Chor der Salzburger Kirche besungen hat, sowie aus der Gepflogenheit, nach Abbruch eines Altars darüber ein neues Heiligtum zu errichten. Immerhin wurde die Marienkapelle erst 1319 geweiht.

Bei einer Sondage an einer Stelle der Marienkapelle konstatierte Karwiese, daß ihre Fundamente aus dem gleichen Stein bestehen wie das Zwei-Kammer-Gebäude. Und er stellte fest, daß dieser Stein - ein Hauptdolomit vom Festungsberg — bloß in Rupertini- scher Zeit verwendet worden war. Schon Bischof Fergil-Virgil, der eigentliche Begründer des Erzstiftes, machte wenige Jahrzehnte später beim Bau des Salzburger Domes keinen Gebrauch mehr von ihm.

Im August wird Karwiese im Klostergarten und in der Marienkapelle die Grabungen fortsetzen. Er erwartet, römische und nachrömische Mauern zu finden und hofft, den Standort der Wirkungsstätte Ruperts zu lokalisieren, die der Heilige verlassen hat, nachdem es Herzog Theodo nicht gelungen war, Papst Gregor II. zu bewegen, in Salzburg einen Bischofssitz zu gründen.

Das geschah erst unter dem Iren Virgil, der den 724 in seiner Heimatstadt Worms verstorbenen Rupert in die Stadt an der Salzach heimholte und für ihn 774 im Dom eine letzte Ruhestätte fand. Wie sich bei den Domgrabungen zeigte, befindet sich im Unterschied etwa zum Grab des Heiligen Vir- gü — dessen Gebeine der Erbauer des barocken Domes, Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau, 1606 in die Franziskanerkirche übertragen ließ — das Skelett Ruperts nach wie vor in der Chorkrypta der Vorgängerkirche der 1598 vernichteten Basilika.

Somit gehört auch das von einem ewigen Licht umgebene sogenannte Rupertgrab im erst im 15. Jahrhundert errichteten Seitenschiff von St Peter in den Bereich der vielen Legenden um den Kirchengründer aus Worms.

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