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Ein „Leistungsausgleich"

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Heute und wohl auch künftig müssen sich junge Menschen mit sich selbst, ihren Vorstellungen von Beziehungen und deren Realisierungsmöglichkeiten intensiver auseinandersetzen als noch vor einigen Jahrzehnten, um Ehe und Familie leben zu können. Dabei fehlt es nicht an Sehnsucht nach geglückter Familie, sondern eher am Können bei der Verwirklichung dieser im Alltagsleben. Die Herausforderung an die Familienarbeit besteht dann darin, diese Differenz zwischen Sehnsucht und Alltag verringern zu helfen.

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Heute und wohl auch künftig müssen sich junge Menschen mit sich selbst, ihren Vorstellungen von Beziehungen und deren Realisierungsmöglichkeiten intensiver auseinandersetzen als noch vor einigen Jahrzehnten, um Ehe und Familie leben zu können. Dabei fehlt es nicht an Sehnsucht nach geglückter Familie, sondern eher am Können bei der Verwirklichung dieser im Alltagsleben. Die Herausforderung an die Familienarbeit besteht dann darin, diese Differenz zwischen Sehnsucht und Alltag verringern zu helfen.

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Bereits im Anschluß an den Familienbericht 1979 wurde der Satz von der „negativen Auszahlung" des Systems Eltern mit Kindern geprägt. Damit wurde die empirisch bestätigte Tatsache bezeichnet, derzufolge mit Kinderzahl beziehungsweise sinkendem Einkommen alle subjektiv wahrgenommenen Belastungen von Familie deutlich zunehmen. Die Gültigkeit dieses Befundes besteht auch heute noch. So stellt Christoph Badelt im Familienbericht 1989 fest, daß bei den unselbständig Erwerbstätigen die Einkommenssituation der Familien wesentlich ungünstiger ist, als bei den Haushalten ohne Kinder: so sind 26,6 Prozent der Alleinver-dienerlnnen als arm beziehungsweise armutsgefährdet anzusehen, jedoch nur 2,3 Prozent der Zweiverdienerfamilien.

Die Frage der wirtschaftlichen Situation von Familien erweist sich nicht lediglich als eine Frage des erzielten Kompromisses im Verteilungskampf, aber auch nicht einfach als Frage der Verwirklichung eines ethischen Prinzips, nämlich Gerechtigkeit. Wirtschaftliche Enge hat etwas mit dem Gelingen von Ehe und Familie zu tun. Das ist auch empirisch klar erwiesen.

Dabei handelt es sich nicht um den

einfachen Zusammenhang: je mehr Geld desto mehr geglückte Familie. Wirtschaftliche Armut wirkt eher intervenierend in der Art, daß mit zunehmender Enge auch die erforderliche Zusatzmotivation zur Überwindung der damit verbundenen Probleme zunimmt, was oft genug zur Überforderung führt. Besonders wirksam mag dies sein, wenn in einer Wohlstandsgesellschaft nur diejenigen arm sind, die Familie haben. Schließlich kommt hinzu, daß äußere Stützelemente für den Zusammenhalt und das Gelingen von Familie weitgehendst wegfallen.

Diese Fakten sind auch auf der politischen Ebene bekannt, weshalb mehr oder weniger intensiv versucht wird, gegenzusteuern. Schon im Jahre 1948 wurde im Zusammenhang mit dem Wegfall der Preisstützung die Ernährungsbeihilfe für Kinder und Angehörige von unselbständig Erwerbstätigen eingeführt. Bereits ein Jahr später ist die Bezeichnung Kinderbeihilfe eingeführt und die Finanzierung durch ein Ausgleichsverfahren sichergestellt worden. 1955 konnte dann der allgemeine Lastenausgleich eingeführt werden. Dessen Ziel war es, die Lasten zwischen denjenigen auszugleichen, die für Kinder zu sorgen haben und jenen, für die sich diese Aufgabe nicht stellt, wenngleich sie aus den Kindern anderer einen Nutzen ziehen.

Der „ausgeräumte" Fonds'

Zweifellos war das eine hervorragende und beispielhafte Solidarleistung der Gesellschaft, die von verantwortungsbewußten Politikern dazu angehalten worden ist. Die Funktionalität war in den ersten Jahrzehnten des Bestehens voll gegeben und hat bis in unsere Zeit positive Auswirkungen gezeigt. Bedauerlicherweise wurden die Mittel des Fonds im Laufe der Zeit durch verschiedene Maßnahmen, insbesondere durch Kürzung der Einnahmen um ein Viertel während der SPÖ-Alleinregierung in den späten siebziger Jahren, in ihrer Wirk-

möglichkeit zum Lastenausgleich nachhaltig beeinträchtigt.

Die aus dem Familienlastenaus-gleichsfonds finanzierten „Familienbeihilfen" gelten im öffentlichen Bewußtsein als der Familienlastenausgleich schlechthin. Tatsächlich gehört zum Familienlastenausgleich als zweites Bein die steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtungen.

Steuern durch Steuern

Dieser Aspekt wurde in den letzten Jahrzehnten geradezu tabuisiert. Erst das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) betreffend die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes im Steuerrecht zum Nachteil von Kindern, Müttern und Vätern, hat eines der bestgehüteten Tabus in die Diskussion gebracht: die massive wirtschaftliche Benachteiligung von Familien im Steuerrecht. Diese entsteht zufolge unseres progressiven Steuersystems. Es leitet seinen Gerechtigkeitsanspruch von folgenden Grundüberlegungen her: Je mehr ein Steuerpflichtiger über sein Existenzminimum hinaus verdient, desto mehr kann er jeweils davon an den Staat zur Erfüllung dessen Aufgaben abführen.

Derzeit nimmt das Steuergesetz fast überhaupt nicht auf die Unterhaltsverpflichtungen des Steuerpflichtigen Bedacht. In der harten Steuerwirklichkeit heißt das, für 25.000 Schilling Monatseinkommen wird zum Beispiel etwa gleich viel Steuer gezahlt, egal ob davon eine Person, zwei, drei oder mehr Personen leben müssen.

Hinzu kommt noch: wird dieses Monatsgehalt von einer Person verdient, bedeutet das, mehr Steuern davon zu bezahlen, als wenn dieses Monatsgehalt von zwei Personen verdient wird. Letztlich kann das dazu führen, daß vom Existenzminimum für die Kinder Steuern zu zahlen sind.

Wolfgang Schmitz hat in Zusammenarbeit mit dem „Kummer-Institut" und dem Katholischen Familienverband Österreichs dieses Erkennt-

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