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Ein Linksruck via Gesetz?

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Bei den nächsten Wahlen für die österreichische Hochschülerschaft im Mai sollen bereits rund 8000 ausländische Studenten mitwählen können. Das ist eine der wichtigsten Änderungen, die das neue Hochschülerschaftsgesetz bringt. Das Gesetz soll darüber hinaus die Einrichtung von Studentenvertretungen an Instituten und Studienrichtungen mit direkter Wahl sowie Briefwahl möglich machen.

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Bei den nächsten Wahlen für die österreichische Hochschülerschaft im Mai sollen bereits rund 8000 ausländische Studenten mitwählen können. Das ist eine der wichtigsten Änderungen, die das neue Hochschülerschaftsgesetz bringt. Das Gesetz soll darüber hinaus die Einrichtung von Studentenvertretungen an Instituten und Studienrichtungen mit direkter Wahl sowie Briefwahl möglich machen.

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Die Organisation der Hochschülerschaft baut sich nun von unten nach oben auf. In den Instituten und den Klassen der Kunsthochschulen werden Institutsvertretungen direkt gewählt werden, auf je 50 aktiv Wahlberechtigte ein Mandatar, aber mindestens drei und nicht mehr als sieben. Hierbei können alle wählen, die im Wahlsemester und im vorausgegangenen eine für sie pflichtmäßig zu belegende Lehrveranstaltung inskribiert hatten. Ebenso werden für jede Studienrichtung und für jede Fakultät oder Abteilung Vertretungen gewählt; wenn es der Hauptausschuß beschließt, auch für Studienabschnitte. Wo eine Hochschule oder Fakultät nur eine einzige Studienrichtung durchführt, gehen die Funktionen der Studienriehtungs-vertretung an den Hauptausschuß oder die Fakultätsvertretung über, wo ein Institut für eine Studienrichtung zuständig ist, an die Institutsvertretung.

• Dem Zentralausschuß gehören dann für je 1500 aktiv Wahlberechtigte ein Mandatar mit vollem Stimmrecht sowie die Vorsitzenden der Hauptausschüsse mit beratender Stimme an. Damit wird der im Mai neu zu wählende Zentralausschuß bei rund 60.000 immatrikulierten Studenten etwa 40 stimmberechtigte Mitglieder zählen, zu denen 17 HA-Vorsitzende kommen (soweit sie nicht direkt gewählt worden sind). Dies kann bedeuten, daß kleine Hochschulen nur noch mit beratender Stimme vertreten sind, wogegen politische Kleingruppen, deren Anhänger sich über ganz Österreich verteilen, einen Sprecher in den Zentralausschuß entsenden können.

Nun ist die Erteilung des Wahlrechtes in eine Körperschaft öffentlichen Rechts, die die österreichische Hochschülerschaft darstellt, an Ausländer grundsätzlich fragwürdig. In Analogie dazu müßten bei den Arbeiterkammerwahlen auch die Gastarbeiter gleiches Wahlrecht wie die österreichischen Dienstnehmer erhalten.

Der politische Hintergrund des Hochschülerschafts - Gesetzentwurfes ist ziemlich klar. Der überwiegende Teil der ausländischen Studenten kommt aus südosteuropäischen Ländern, dem Nahen Osten und aus der Bundesrepublik (insbesondere in den westlichen österreichischen Hoch-söhujstädten). Unter den griechischen, persischen und arabischen Studenten aber gibt es heute bereite sehr starke kommunistische oder linksradikale Zellen, die einen starken Einfluß auf ihre zumeist stark isolierten Landsleute ausüben. Diese Zellen haben sich mehrmals mit linksradikalen und anarchistischen Gruppen sowie dem Verband Sozialistischer Studenten solidarisiert und Kundgebungen gegen den „israelischen Imperialismus", gegen das Hussein-Regime, dafür aber für die Palästinenserorganisationen durchgeführt. In Erinnerung sind den Kennern der Hochschulszene auch die Demonstrationen der gleichen Gruppen gegen den Schah von Persien und seine Geheimpolizei, bei der es wiederholt Schlägereien mit der Polizei gab.

Die Erwartungen sind also nicht falsch, daß der Großteil dieser ausländischen Studenten zumindest den Verband Sozialistischer Studenten, möglicherweise auch neue Wahlgruppierungen noch weiter links wählt. Und weil die Auslandsstudenten relativ straff organisiert sind, dürfte eine vollständige Wahlbeteiligung (bei gleichzeitig niedriger Wahlbeteiligung der österreichischen Hörer) einen starken Ruck nach links herbeiführen.

Nicht viel anders ist es bei den Studenten aus der Bundesrepublik. Seit das Inskribieren praktisch gratis ist, fürchtet man in Salzburg und Innsbruck sogar, daß gutorganisierte APO- und Rote-Zelle-Gruppen aus München massiv die Wahlen beeinflussen könnten. Man erinnert sich, daß auch anläßlich des Nixon-Besuches in Salzburg ganze Autobusladungen von Demonstranten aus der Bundesrepublik kamen.

Das neue Gesetz soll auch eine Regelung für die Verwaltung der Wirtschaftsbetriebe — Skriptenverlage, Mensen, Reisebüros, Krankenfürsorge —, die nun als Genossenschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung geführt werden müssen, bringen. Eine Kontrollkommission im Wissenschaftsministerium soll die Einhaltung der Haushaltsvorschriften überprüfen, bei dienst- und besoldungsrechtlichen Problemen beistehen und die Wirtschaftsbetriebe in Vermögensfragen und in der Betriebsführung beraten.

Auch der Hochschülerschaftsbeitrag soll neu festgesetzt werden. Er soll zwischen einem halben und eineinhalb Prozent der jeweils höchsten Studienbeihilfe betragen, das wären heute zwischen 55 und 165 Schilling statt der bisher eingehobenen 30 Schilling.

Der Schacher und die Kampfabstimmung über die Besetzung eines Richterpostens des Verfassungsgerichtshofes haben wohl in der Geschichte der Zweiten Republik nicht allzu viele Parallelen!

Da versucht man doch mit aller Gewalt von beiden Parteien das Höchstgericht zu majorisieren, um im Entscheidungsfall in den Höchstrichtern politische Entscheidungsgehilfen vorzufinden ...

Das Bedauerliche dabei ist, daß sich ausgezeichnete Juristen via Parteisekretariate für die Posten der Höchstgerichte bewerben müssen — ein mehr als unbefriedigender Zustand. Und dabei weiß man noch aus den Jahren 1963/64, wie schwach belastbar die Höchstgerichte mit politischen Fällen sowieso sind. Damals haben Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof in der Causa der Loyalitätserklärung von Otto Habsburg offenbar verschiedene, nämlich teilweise politische Maßstäbe angelegt. Kann das bald wieder so sein?

Das Problem ist also nicht erst seit heute bekannt. Und es hat von der Wissenschaft her auch nicht an Vorschlägen gefehlt, dem Übel beizukommen und die Ernennung der Höchstrichter außer Parteienstreit zu stellen.

Aber warum ist in einer so staats-existentieüen — weil rechtsstaatlichen — Grundsatzfrage so überhaupt nichts geschehen? Warum liegt nicht bereits längst ein Reformvorschlag im Verfassungsausschuß des Parlaments? Weil die Parteien offensichtlich liebend gerne den Status quo erhalten wollen, über die Richterämter nach Gutdünken zu schalten.

Gegenbeweise werden erbeten. Selbst im Fasching braucht der Rechtsstaat keine solche Demaskierung.

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