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Ein Mäuschen ohne Zähne

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Nach jahrelangen Diskussionen hat nun die ÖVP einen konkreten Vorschlag für ein „Erziehungsgeld“ präsentiert. Dennoch haben die Familien wenig, Grund zur Freude.

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Nach jahrelangen Diskussionen hat nun die ÖVP einen konkreten Vorschlag für ein „Erziehungsgeld“ präsentiert. Dennoch haben die Familien wenig, Grund zur Freude.

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Bereits 1970 hatte der Familienpolitische Beirat einstimmig unter anderem beschlossen: „Müttern von Kindern bis zum vollendeten 3. Lebensjahr, die sich voll der Erziehung ihrer Kinder widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten, soll eine Erziehungs-

beihilfe gewährt werden, und zwar so lange, als sich mindestens ein Kind, das noch nicht das 3. Lebensjahr vollendet hat, in der Familie befindet.

Für den nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes zu gewährenden Karenzurlaub ist der Anspruch auf Leistungen unabhängig vom Familieneinkommen festzulegen.“

Der 24. Bundesparteitag der österreichischen Volkspartei (ÖVP) im Jahre 1983 forderte in der Resolution „Familie ist Zukunft“: „Für die Entwicklung des Kindes ist die dauernde Anwesenheit eines Elternteiles, insbesondere in den ersten Lebensjahren, von großer Bedeutung. Da diese Aufgabe in der überwiegenden Zahl der Fälle von der Mutter wahrgenommen wird, soll es ihr durch eine stufenweise Einführung der Erziehungsbeihilfe auch möglich sein, sich der Betreuung und Erziehung der Kinder zu widmen, ohne einer außerhäuslichen Erwerbstätigkeit nachgehen zu müssen.“

OVP-Bundesparteiobmann Alois Mock hat sich (selbst) innerhalb seiner Partei sehr stark und oft gegen etliche Widerstände für die familienpolitischen Belange eingesetzt. Auf sein politisches Wollen ist auch die Forderung der ÖVP nach einem Erziehungsgeld zurückzuführen, auch wenn es dagegen von verschiedenen Gruppen innerhalb der Partei

heftige Widerstände gegeben hat.

Die ÖVP-internen Debatten führten dazu, daß ein weiterer Beschluß — und zwar diesmal des Bundesparteivorstandes — im Frühjahr 1985 notwendig war, der die Forderung nach Einführung der Erziehungsbeihilfe zwar aufrechterhielt, hinsichtlich der Anspruchsberechtigten aber bereits erhebliche Reduktionen vornahm.

Der nunmehr am 14. Mai von der Familiensprecherin der ÖVP, Rosemarie Bauer, präsentierte Vorschlag für die Einführung eines Erziehungsgeldes (siehe Kasten „Soziale Staffelung“) ist deshalb wichtig und gut, weil damit festgehalten wird, daß die ÖVP nun doch eindeutig für das Erziehungsgeld eintritt.

Der konkrete Vorschlag ist aber insofern zu kritisieren, als ein Gesamtkonzept zur Familienförderung (wie zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland) aus Familienbeihilfe, Steuerreform, Erziehungsgeld und Pensionsregelung (noch) nicht erkennbar ist.

Grundsätzlich abzulehnen sind Einkommensgrenzen bei Leistungen aus dem Familienlastenaus-gleichsfonds, wie sie der ÖVP-Vorschlag nun vorsieht.

Wieder einmal soll nach der ÖVP-Initiative für Leistungen, die bisher zum Teil aus anderen Budgets erbracht wurden (Son-dernotstandshüfe, Karenzgeld für Studentinnen durch Sozialbudgets), der Familienlastenaus-gleichsfonds herangezogen werden, ohne daß zumindest gleichzeitig festgehalten wird, daß die bisher aufgewendeten Mittel dem Familienlastenausgleichsfonds zugute kommen müssen.

Wenn überhaupt Einkommensgrenzen notwendig sind, so sind auf jeden Fall die Grenzwerte des ÖVP-Vorschlags zu niedrig angesetzt und die Kinderzuschläge unzureichend, nahezu familien-

feindlich.

Unverständlich ist auch, daß nicht das gewichtete Pro-Kopf-Einkommen als Maßstab herangezogen wird, das sich in Niederösterreich und Oberösterreich bei verschiedenen Zuschüssen und Beihilfen bestens bewährt hat.

Nach dem ÖVP-Vorschlag gibt es bei Leistungen aus dem Familienlastenausgleichsfonds zwei Klassen von Müttern: jene, die nicht erwerbstätig sind und das volle Erziehungsgeld erhalten, und jene, die ebenfalls nicht erwerbstätig sind, aber wegen Überschreitung der sehr niedrigen Einkommensgrenzen nichts erhalten.

Der Familienlastenausgleichsfonds ist aber ein Fonds für alle Familien und soll zwischen jenen mit Kindern und jenen ohne Kinder „ausgleichen“, aber nicht zwischen den „Armen“ mit Kindern und den „Reichen“ mit Kindern.

Das Karenzurlaubsgeld wird derzeit zu 50 Prozent aus dem Familienlastenausgleichsfonds und zu 50 Prozent aus der Arbeitslosenversicherung für das 1. Lebensjahr des Kindes bezahlt. Nach Realisierung des vorliegenden ÖVP-Vorschlages würde eine Gruppe von Müttern, ebenfalls im ersten Lebensjahr des Kindes, das volle Erziehungsgeld aus dem Familienlastenausgleichsfonds erhalten. Andere bekommen zwar ^uch das volle Erziehungsgeld, jedoch wird es nur zur Hälfte aus

dem Familienlastenausgleichsfonds finanziert.

Bei der Begehrlichkeit des Sozialministers ist sicher der nächste Schritt, daß das Karenzurlaubsgeld voll aus dem Familienlastenausgleichsfonds bezahlt werden muß. Ob das von der ÖVP bedacht wurde?

Insgesamt kann man bei der Bewertung des OVP-Vorschlages

für ein Erziehungsgeld auf das Sprichwort zurückgreifen: „Berge kreißten — und ein Mäuschen kam heraus.“

Daher sollte ehebaldigst das Gesamtkonzept der ÖVP zur Familienpolitik in einer vernünftigen Form realisiert werden.

Der Autor ist Generalsekretär des Katholischen Familienverbandes Österreichs (KFÖ).

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