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Ein Mahl für Gäste

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Am einfachsten ist es, gute Freunde zu bewirten, mit denen man häufig zusammen ist und ißt. Da weiß man schon, was sie mögen. Obwohl, auch hier gibt es Probleme: Soll man für Karlheinz seinen geliebten coq au vin machen? Er hat ihn ja verhältnismäßig oft zu ' Hause; außerdem kann er dieses Gericht wohl besser zubereiten als wir. Was hat ihm noch neulich bei uns so gut geschmeckt?

Mit guten Freunden muß man sich aber nicht den Kopf zerbrechen, man kann sie ja fragen, was sie essen möchten. Als ich seinerzeit in Prag der letzte Junggeselle unter meinen Freunden gewesen bin, haben mich ihre Frauen gerne zum Essen eingeladen. Aus Mitleid, und auch aus Eitelkeit - wie alle Autoren, freuen sich auch Köche und Köchinnen, wenn man ihr .Werk lobt, und ich bin ein guter Gast, der gutes Essen mit Wort und Tat würdigt. Im Hintergrund stand wohl auch die Absicht, mich mit wohlschmeckenden Argumenten von den Vorteilen des Familienlebens zu überzeugen, denn alle verheirateten Frauen und auch die jungverheirateten Männer sind leidenschaftliche Ehestifter.

Wenn man mich damals fragte, was ich essen möchte, sagte ich: „Egal was, aber bitte mit Salzkartoffeln ! " In Restaurants kann man ja fast alles bekommen, nur nicht frische, dampfende, weiße, auf der Zunge zerfallende Kartoffeln.

Es lohnt sich also, Freunde nach ihren Eßwünschen zu fragen, man erspart sich das Überlegen, manchmal, dank den bescheidepeti Wünschen der Eingeladenen, ;iuch sinnlose Ausgaben. Selten ist wirklich jemand so dreist, in so einem Fall Kaviar, Austern und Hummer zu bestellen.

Problemlos ist es auch, abgesehen von finanziellen Problemen, wenn man Snobs einlädt. Besonders, wenn man selbst Snob ist. Da reicht es, wenn das Geschirr und die Speisen teuer sind.

Leicht zu befriedigen sind auch Gäste, die der gesunden biologischdynamisch- makrobiotischen Kost huldigen. Die Nahrungsmittel aus den Bio-Läden sind zwar nicht ganz billig, die Gesundheitsbewußten essen aber in der Regel wenig. Außerdem ist die Vorbereitung von Müsli, Körnern oder Kräutersalat nicht allzu arbeitsaufwendig.

Als Gastgeber muß man sich allerdings seinen Gästen anpassen und eventuell an Körnern mitpikken, auch wenn man eher Appetit auf eine saftige Lammkeule hätte. Es empfiehlt sich nicht, zweierlei Speisen aufzutragen - die einen für Fleischesser, die anderen für Vegetarier. Dies könnte beiden Seiten den Appetit verderben. Notfalls kann man sich vor der Ankunft der Gäste einige Steaks einverleiben.

Eine mittlere Katastrophe kann entstehen, wenn man jemanden, dessen Eßgewohnheiten man nicht kennt, zum verkehrten Mahl eingeladen

hat - einen eingefleischten Bratenanhänger zu einem Müsligelage oder einen verwurzelten Vegetarier zum Spanferkel. Man hat sich mit dem Menü viel Mühe gegeben - es gibt ja auch köstliche und kunstvoll zubereitete vegetarische Lekkereien, ich esse sie selbst sehr gerne, vor oder nach dem Fleischgericht - und der Gast nimmt keinen Bissen, weil er seine Prinzipien nicht aufgeben will!

Es ist immer eine Freude, Menschen. zu bewirten, die gutes Essen genießen, egal zu welcher Eßphilosophie sie sich bekennen. Ich nehme an, daß man auch an einer Gesundheitstafel angenehme Gespräche über die Wahl der Salatzutaten, die besten Anbaugebiete für Kleie und die schönsten Essig-Jahrgänge führen kann.

Muß man aus irgendwelchen Gründen Leute einladen, die keine Freude am Essen haben, lade man sie am besten in ein Restaurant ein - es kann ein teures, soll aber womöglich ein schlechtes sein. Man gibt dabei zwar mehr Geld aus, erspart sich jedoch den Verdruß darüber, daß unsere Kochkunst nicht ·gewürdigt wurde.

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