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Ein Mann der ersten Wahl

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FURCHE-Leser zeichnet ihre politische Mündigkeit aus. Sie sind auf keinerlei Bevormundung, erst recht auf keine Wahlempfehlung, wem sie bei der Bundespräsidentenwahl am kommenden Sonntag ihr Vertrauen schenken sollen, angewiesen.

Der Nachfolger von Rudolf Kirchschläger für die nächsten sechs Jahre wird Kurt Waldheim oder Kurt Steyrer heißen. Die Umfragedaten bestätigen, woran politisches G'spür ohnehin nie gezweifelt hat. Kurt Waldheim werden sogar Chancen eingeräumt, schon im ersten Wahlgang am 4. Mai mehr als die Hälfte aller gültigen Stimmen für sich zu haben.

Die beiden anderen Kandidaten sind vom Start weg chancenlos, wobei das Selbstverständnis des Kandidaten Otto Scrinzi dem Selbstbewußtsein jener österreichischen Nation zuwiderläuft, das Auftrag und Anliegen dieser Zeitung ist. Damit erfüllt Scrinzi jene Voraussetzungen nicht, die wir als Grundübereinstimmung für ein Vertrauensvotum bei der Wahl eines österreichischen Bundespräsidenten als unabdingbar betrachten.

Freda Blau-Meissner versteht sich als Protestkandidatin, die als Spitze initiativer Bürger sozusagen Enttäuschungen und Frustrationen über die Politik zum Programm gemacht hat. Sie symbolisiert das Ohnmachtsgefühl vieler Bürger, aber auch Machterwartungen in einen Bundespräsidenten, die jenseits der Verfassungswirklichkeiten liegen.

Die Möglichkeit des Wählerprotestes ist gegeben. Anders aber als bei Wahlen zu gesetzgebenden Körperschaften, wo es nicht um ein Amt, sondern um mehrere Mandate geht, ist die Chance der Einflußnahme ausgesprochen bescheiden. Bestenfalls kann erreicht werden, daß die Entscheidung zwischen Kurt Waldheim und Kurt Steyrer vom 4. Mai auf den 8. Juni um fünf Wochen vertagt wird.

Wem ist damit gedient? Die Fortsetzung einer unerquicklichen Wahlschlacht um weitere 34 Tage wäre aber kein guter Dienst an dieser Republik, um deren ersten Mann es geht. Vieles spricht daher (siehe dazu Seite 2) für eine rasche Entscheidung. Das gilt es abzuwägen.

Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, jeder Wahlentscheidung auszuweichen — als Nicht- (Wahlpflicht besteht allerdings in Vorarlberg, Tirol, Kärnten und Steiermark) oder Weißwähler.

Nichtwähler mißverstehen das demokratische Wahlrecht, von dem die Wähler mit weißem Stimmzettel aber sehr wohl Gebrauch machen.

„Weißwähler“ lassen zwar die direkte Entscheidung offen, könnten aber schon im ersten Wahlgang — gewollt oder ungewollt—eine Entscheidung indirekt herbeiführen: Je höher der Anteil der ungültigen Stimmen an den insgesamt abgegebenen ist, bei den letzten Bundespräsidentenwahlen am 18. Mai 1980 lag er bei 7,2 Prozent, desto leichter könnte es für einen Kandidaten werden, mehr als die Hälfte aller gültigen Stimmen zur Wahl für sich zu bekommen.

Kurzum: Eine Nichtentschei-dung zwischen den Kandidaten kann durchaus wahlentscheidend sein. Auch das gehört bedacht.“

Darf es einem Bürger dieses Landes wirklich gleichgültig sein, wer ihn und unsere gemeinsame Republik in den nächsten fünf Jahren nach innen und außen repräsentiert? Dann hieße dies: Preisgabe der politischen Mündigkeit, Geringschätzung des Amtes, um das es geht. Daher ist jeder aufgerufen, für den Mann seiner ersten Wahl zu votieren.

Mit der Person des künftigen Bundespräsidenten verbinden sich Hoffnungen und Erwartungen (siehe dazu auch Seite 3), für die Kurt Waldheim und Kurt Steyrer unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen. In ihrem Amtsverständnis, in diesem Wahlkampf nur kursorisch angesprochen, eint sie wahrscheinlich mehr als sie trennt. Die Zeit, es deutlich zu machen, haben sie sich aber in diesen hektischen Tagen nicht genommen — auch nicht für die FURCHE.

Ausschlaggebend soll sein—ohne die Frage der Weltanschauung der beiden Kandidaten auszusparen —, wem man zutraut, jene Autorität auszustrahlen, die mit der Würde des Amtes verbunden ist. Wem man jene Umsicht, Urteilskraft, Vernunft und Mäßigung zutraut, durchaus aber dazu auch Zivilcourage einer Regierung gegenüber, die für diese Schlüsselstellung unverzichtbar sind. Wem man schließlich zutraut, Integrationsfigur, Symbol des Miteinan-ders zu sein. Wichtig ist ein Mann zudem, dem man sich in Krisenzeiten anvertrauen mag.

Kurt Waldheim bringt unumstritten mehr (Welt-)Erfahrung ein, Kurt Steyrer eine volkstümlichere Herzlichkeit.

Bundespräsidentenwahlen sind Persönlichkeitswahlen. Sie sind aber auch — gerade nach den letzten Monaten und Wochen — zu Parteiwahlen geworden, so sehr man diese Entwicklung auch bedauern mag. Vom Ausgang dieser Wahlen hängt einiges ab, welche Entwicklung die österreichische Innenpolitik in der nächsten Zeit nehmen wird.

Umso bedeutsamer wird es sein, wie der Mann über den Parteien heißt. Wählen heißt entscheiden.

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